Tausende protestieren gegen Benedikt XVI. in London
Papst Benedikt XVI. hat erneut das "ungeheure Leiden" der Opfer sexuellen Missbrauchs durch Geistliche beklagt. Bei einer Messe in der Londoner Westminster-Kathedrale äußerte das Kirchenoberhaupt am Samstag "tiefes Bedauern" über das "unbeschreibliche Verbrechen" pädophiler Übergriffe in der katholischen Kirche. Benedikt hatte sich auch bei einem zuvor geheimgehaltenen Treffen mit Missbrauchsopfern an einen Tisch gesetzt.

Einen Tag vor Ende der Papst-Reise nach Großbritannien äußerte sich Vatikan-Sprecher Federico Lombardi ungeachtet von Protesten in London und Spannungen vor der Reise zufrieden. Mehrere Tausend Menschen protestierten am Samstag mit einem Marsch durch die Londoner Innenstadt gegen den Besuch des Pontifex. Nach Angaben der Veranstalter nahmen 10.000 Menschen an der Demonstration in der Nähe des Sitzes von Premierminister David Cameron in der Downing Street teil.

Vatikan-Sprecher Lombardi sagte, Benedikt würdige die Demonstrationen am Rand seines Besuchs als "positive Tradition" der britischen Meinungsfreiheit. Ebenso wie bei anderen Auslandsreisen habe eine Mehrheit der Bevölkerung dem Kirchenoberhaupt "Interesse und Respekt" entgegengebracht.

Der Marsch richtete sich nach Angaben der Organisatoren unter anderem gegen die Ablehnung von Kondomen durch den Vatikan. Diese Haltung fördere die Verbreitung von Aids. Zudem wurde kritisiert, dass die katholische Kirche auch für Frauen in Notsituationen Abtreibungen ablehne, Homosexuelle diskriminiere und keine Frauen zu Priestern weihe. Außerdem sei die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche unzureichend.

Christentum ist "keine Einschränkung der menschlichen Freiheit"

Beim Gottesdienst am Samstagvormittag hatte der Papst angesichts der Missbrauchsfälle "Beschämung und Demütigung" eingestanden, unter denen alle Katholiken wegen der Sünden einer geringen Zahl von Priestern gelitten hätten. In Anwesenheit des geistlichen Oberhaupts der Anglikaner, Erzbischof Rowan Williams, kritisierte Benedikt erneut eine Tendenz westlicher Gesellschaften, das Christentum als "Einschränkung der menschlichen Freiheit" anzusehen.

Zuvor war der Papst mit dem britischen Premierminister David Cameron zusammengetroffen. Im Anschluss an die Begegnung unter Ausschluss der Öffentlichkeit traf er sich mit Vizepremierminister Nick Clegg sowie Oppositionschefin Harriet Harman. Einzelheiten zu den Gesprächen wurden nicht bekannt.

Vatikan-Sprecher Lombardi sagte, die Verhaftung von sechs mutmaßlich aus Nordafrika stammenden Männern am Freitag, die im Verdacht stehen, ein Attentat auf den Papst geplant zu haben, hätten "keinen Anlass zur Sorge" gegeben. Benedikt sei über das Vorgehen der britischen Polizei jederzeit informiert gewesen und habe gelassen darauf reagiert. Kein Programmpunkt der Visite sei daraufhin geändert worden.

Benedikt hält sich seit Donnerstag in Großbritannien auf. Zum Abschluss seines Besuchs am Sonntag ist die Seligsprechung des britischen Kardinals John Henry Newman (1801-1890) bei einer Messe in Birmingham geplant. Newman war von der anglikanischen zur römisch-katholischen Kirche übergetreten.

Benedikt traf sich auch mit Missbrauchsopfern

Wie der Vatikan mitteilte, hat sich Papst Benedikt XVI. auch mit Opfern sexuellen Missbrauchs getroffen. Das Kirchenoberhaupt traf am Samstag in London mit fünf Briten zusammen, die unter sexuellen Übergriffen in der katholischen Kirche zu leiden hatten. Der Papst habe dabei "tiefen Schmerz und Scham" geäußert.

Bereits in der Vergangenheit hatte Benedikt auf Auslandsreisen Missbrauchsopfer getroffen. Benedikt sei tief bewegt von den Berichten der fünf Betroffenen gewesen. Er habe mit ihnen um Vergebung gebetet und darum, dass sie "vergangene und gegenwärtige Qualen" überwinden, teilte der Vatikan mit. Der Papst habe den Opfern versichert, dass die katholische Kirche weiterhin "effektive Maßnahmen zum Schutz junger Menschen" ergreife und sich bemühe, Vorwürfe zu untersuchen, mit den Justizbehörden zusammenzuarbeiten und Geistliche, denen "diese ungeheuren Verbrechen" vorgeworfen werden, vor Gericht zu bringen.

Der aus Deutschland stammende Papst absolvierte den ersten Staatsbesuch eines katholischen Kirchenoberhaupts auf der britischen Insel, seitdem sich die anglikanische Kirche im 16. Jahrhundert von Rom losgesagt hatte. Das Verhältnis des Heiligen Stuhls zur anglikanischen Kirche, deren weltliches Oberhaupt die britische Königin Elizabeth II. ist, galt vor der Reise als angespannt.

epd