Wahl im November: Wer wird Bischof in Hannover?
Wolfgang Gern und Ralf Meister (links) heißen die Kandidaten für die Wahl zum Landesbischof in Hannover. Die Entscheidung soll Ende November fallen.
17.09.2010
Von Ulrike Millhahn und Michael Grau

Wer für das Bischofsamt in Hannover kandidiert, braucht starke Nerven. Das wird auch Wolfgang Gern und Ralf Meister so gehen, wenn sie sich vom 23. November an dem Kirchenparlament zur Wahl stellen. Ihre Vorgängerin Margot Käßmann musste im Juni 1999 drei Tage auf der Gästebank im Muttersaal der Henriettenstiftung ausharren. Im dritten Wahlgang erreichte sie schließlich mit sieben Stimmen Vorsprung die nötige Mehrheit in der Synode.

Gern und Meister sind profilierte Kandidaten. Der 59 Jahre alter hessen-nassauische Diakonie-Chef Gern steht als Sprecher der Nationalen Armutskonferenz für eine sozialpolitische Ausrichtung. Der 48-jährige Berliner Generalsuperintendent Meister gilt als versierter Prediger und Medienprofi, bundesweit bekannt ist er als Sprecher des "Wortes zum Sonntag". Nach dem Wahlgesetz muss einer von ihnen in den ersten beiden Wahlgängen eine Zwei-Drittel-Mehrheit erreichen, im dritten Durchgang genügt die einfache Mehrheit. Zusätzlich ist noch eine zeitliche Klausel eingebaut: Zwischen den Wahlgängen müssen mindestens zwölf Stunden liegen, damit sich die 77 Synodalen ausgiebig beraten können.

Unerwarteter Rücktritt von Margot Käßmann

In Deutschlands größter evangelischer Landeskirche zwischen Harz und Nordsee gehen die Menschen die Dinge gern in Ruhe an. "Die Niedersachsen sind nüchterne und darum verlässliche Leute", sagte der ehemalige Landeskirchenamtspräsident Eckhart von Vietinghoff. Umso schockierter reagierte die Landeskirche deshalb im Februar auf den völlig unerwarteten Rücktritt ihrer Landesbischöfin nach einer Autofahrt unter Alkoholeinfluss.

[reference:nid=23194]

Für einen Moment breitete sich allerorten eine Art Schockstarre aus, doch die Kirchenverfassung hat auch für Extremsituationen einen Notfallplan bereit. Der Stellvertreter der Bischöfin, der Lüneburger Landessuperintendent Hans-Hermann Jantzen, sprang ein, obwohl er ganz andere Pläne hatte. Eigentlich wollte er sich Ende September mit dann 65 Jahren in den Ruhestand verabschieden. Den Ratsvorsitz der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), den Käßmann ebenfalls niedergelegt hatte, übernahm derweil ihr EKD-Stellvertreter Nikolaus Schneider (63). Er soll nach dem Willen des Rates auch dauerhaft an der Spitze der deutschen Protestanten stehen.

Der hannoversche Kirchensenat machte sich derweil auf eine monatelange Suche nach Kandidaten für das höchste Amt der Landeskirche. Je mehr Zeit verging, desto heftiger brodelte die Gerüchteküche.

Sinkende Mitgliederzahlen

Seit Donnerstagabend hat nun alle Spökenkiekerei ein Ende und die Synode im November das letzte Wort. Sie allein wird darüber entscheiden, wer in Käßmanns Fußstapfen tritt. Der neue Bischof findet in jedem Fall eine Landeskirche vor, die sich schon seit mehreren Jahren auf zurückgehende Finanzen und sinkende Mitgliederzahlen eingestellt hat. Bis 2030 rechnen die Kirchen mit einem Drittel weniger Mitgliedern und ein um 50 Prozent gekürztes Haushaltsvolumen.

Deshalb verschrieb sich das Kirchenparlament in Hannover bereits im Jahr 2005 ein Sparpaket in Höhe von 81,5 Millionen Euro, die in der geplanten Zeit von fünf Jahren auch eingespart wurden. Bis 2020 will die Landeskirche ihre Mittel um weitere 15 Prozent absenken. Der derzeitige Kirchenpräsident Burkhart Guntau bringt die Situation auf den Punkt: "Mit weniger Personal müssen immer schwierigere Aufgaben erfüllt werden." Dies gilt vor allem für die Diakonie mit ihren vielfältigen Bereichen von der frühkindlichen Bildung in den Kindertagesstätten bis zu einer Altenpflege, die dem christlichen Menschenbild entspricht.

Kurs der Öffnung

Unter dem Stichwort "Gebäudemanagement" werden auch die rund 1.450 Gemeinden mit ihren Kirchen und Pfarrhäusern auf den Prüfstand kommen. Und nicht zuletzt müssen alle Niedersachsen entscheiden, wie ihre derzeitigen fünf Kirchen in Hannover, Braunschweig, Oldenburg, Schaumburg-Lippe und die Evangelisch-reformierte Kirche mit weniger Geld und weniger Mitgliedern ihre Zukunft gestalten wollen.

Für den neuen Bischof, der theoretisch bis zu seinem 70. Geburtstag im Amt bleiben kann, gibt es also genug zu tun. Die meisten Synodalen wünschen sich, dass er den von Käßmann in ihrer fast elfjährigen Amstzeit verfolgten Kurs der Öffnung fortführt, ohne die Rückkoppelung mit Verwaltung und Basis zu vernachlässigen. Und in einem Punkt sind sich alle einig: "Es wird etwas ganz Neues beginnen, weil man Margot Käßmann nicht kopieren kann."

epd