Die Witzkanone der ARD, Sarah Palin und Kardinaltugenden
Ernst Elitz kommentiert die Themen der Woche: Warum die ARD bald witzlos sein könnte. Warum die Tea-Party-Bewegung eine antiamerikanische Stimmung in der Welt stärkt. Und warum die journalistische Freiheit der Meinungsäußerung auch vor den Toren des Präsidialamtes nicht Halt machen darf.
17.09.2010
Die Fragen stellte Henrik Schmitz

evangelisch.de: Harald Schmidt geht zurück zu Sat.1. Ist die ARD bald komplett witzlos?

Ernst Elitz: Wer einmal an einer Intendantenkonferenz teilnehmen durfte, erwartet von der ARD kein Pointenfeuerwerk. Auch auf dem Bildschirm hat das Erste nicht gerade Witzgeschichte geschrieben. Dieter Hildebrand schlug zum Schluss unter dem beifälligen Gemurmel einiger 68er-Pulloverträger nur noch mit dem Holzhammer auf den politischen Gegner ein. Richlings Gehampel macht die ARD-Satire auch nicht geistreicher und der von ihnen verehrte Harald Schmidt begann zwar mit bissigem Witz, aber endete als angestrengter Feuilletonist. Macht alles nichts. Beim Zuschauer liegt das Image der ARD in der seriösen Information. Dafür sorgen "Tagesschau" und "Tagesthemen", packende Dokumentationen und Reportagen. Wenn die ARD ihre besten Stücke künftig um 20.15 Uhr platziert und nicht zur Geisterstunde versenkt, wird ihr niemand übel nehmen, dass sie an der deutschen Humorfront versagt. Sie schießt nicht mit der Witzkanone.

evangelisch.de: In den USA bekommt die Tea-Party-Bewegung immer mehr Zulauf. Dürfen wir uns auf eine Präsidentin Sarah Palin gefasst machen?

Ernst Elitz: Ich hoffe nicht. Die sancta simplicitas, die sich in der ultra-provinziellen Tea-Party-Bewegung dokumentiert, stört auch die Kreise des republikanischen Parteiestablishment. So erfolgreich Tea-Party-Kandidaten auch in parteiinternen Abstimmungen oder bei Vorwahlen sein mögen, so wenig können sie doch Wähler der Demokraten auf ihre Seite ziehen. Da könnte der Tea-Party-Zauber schnell verfliegen. Gemessen an europäischen Verhältnissen ist die Sammlung aller Unzufriedenen in einer der beiden Parteien jedoch von Vorteil. Dort sind sie eher zu zähmen, als in den frei flottierenden Protestparteien europäischen Zuschnitts. Die Welt ist so kompliziert, dass einfache Antworten gefragt sind. Die einfache Antwort von Sarah Palin aber besteht in der Leugnung aller Probleme, die die Vereinigten Staaten von innen und außen bedrängen. Deshalb sehen auch die Vertreter der Republikaner, die schon mal in Washington waren, dass die Tea-Party eine Gefahr für das Land ist. Ihnen und nur ihnen obliegt es, die Palin-Gefahr zu bannen. Auf jeden Fall stärkt die Tea-Party-Bewegung eine antiamerikanische Stimmung in der Welt.

evangelisch.de: Bundespräsident Wulff fordert eine "ISO-Norm für den Journalismus". Sind die Redaktionen derart aus der Form geraten?

Ernst Elitz: In jüngster Zeit haben alle Bundespräsidenten Ärger mit der Presse. Aber die journalistische Freiheit der Meinungsäußerung macht auch vor den Toren des Präsidialamtes nicht Halt. Das heißt, die beiden Kardinaltugenden des Journalismus – Neugier und Unvoreingenommenheit – gelten auch für die Beschäftigung mit dem höchsten Staatsamt. Wenn es eine weitere Norm für die Medien gibt, dann ist die treffend im Leitartikel der ersten Ausgabe der liberalen Berliner Morgenpost von 1898 beschrieben: Journalisten haben in den Konflikten der Zeit Partei zu beziehen, aber sie dürfen nicht Parteigänger für eine politische Gesinnung, eine Partei oder einen Amtsträger sein. Diesen Standard müssen Journalisten beachten. Falls der Bundespräsident das gemeint haben sollte, läge er vollkommen richtig.


Prof. Ernst Elitz, Jahrgang 1941, lebt als freier Publizist in Berlin. Nach seinem Studium der Germanistik, Theaterwissenschaften, Politik und Philosophie kam er über Stationen wie den "Spiegel" und das öffentlich-rechtliche Fernsehen zum Deutschlandradio, das er als Gründungsintendant von 1994 bis 2009 leitete. Alle seine Drei-Fragen-Kolumnen finden Sie hier auf einen Blick.