"Der Doc und die Hexe", 20. September, 20.15 Uhr im Zweiten
Vor einigen Jahren sorgte Gabriela Sperl mit "Helen, Fred und Ted" für eine damals ganz neue Farbe im Fernsehen. Der neue Zweiteiler der Produzentin ist ähnlich gestaltet, aber ungleich gelungener.
Hauptfiguren sind diesmal Ärzte, und es ist wirklich schade, dass die Geschichte bloß 180 Minuten lang dauert. Das ZDF hätte nicht bloß das sieche Genre "Krankenhausserie" reanimieren können; "Der Doc und die Hexe" hätte auch das Zeug zur ersten wirklich intelligenten und anspruchsvollen Serie seit "Kanzleramt". Schon allein die Konfrontation im Zentrum der Handlung ist der pure Komödienstoff. Star-Chirurg Hans Wunderlich (Dominik Raacke), von Freund und Feind bloß Dr. Wu genannt, bekommt Verstärkung: Die im Fernen Osten in traditioneller chinesischer Medizin ausgebildete Internistin Sophie Schöner (Christiane Paul) soll sich in seiner Abteilung um all jene Fälle kümmern, bei denen die Schulmedizin mit ihrem Latein am Ende ist. Dr. Wu ist die Kollegin vom ersten Tag an ein Dorn im Auge; er hält nicht viel von alternativen Heilmethoden. Außerdem ist Sophie viel zu hübsch für eine Kräuterhexe. Und da sie zudem das letzte Wort zu haben pflegt, enden ihre Auseinandersetzungen auch schon mal mit innigen Küssen. Dummerweise ist Dr. Wu verheiratet.
Als Sophie seinem asthmatischen Sohn das Leben rettet, will ausgerechnet Wunderlichs Gattin (Esther Schweins) die beiden überreden, eine Gemeinschaftspraxis zu eröffnen. Die beiden Filme (Regie: Vivian Naefe) haben bei weitem nicht das Tempo der RTL-Comedyserie "Doctor’s Diary", aber die Dialogduelle (Buch: Gerlinde Wolf und Harald Göckeritz) können sich hören lassen. Gerade zwischen den Ärzten fliegen die medizinisch verbrämten Gehässigkeiten nur so hin und her, zumal Intrigen, Eifersucht und beruflicher Ehrgeiz das Wohl der Patienten mitunter zur Nebensache werden lassen. Für die Darsteller muss das Drehbuch ein Fest gewesen sein. Während Christiane Paul mitunter etwas überreagiert, was der Glaubwürdigkeit der Figur nicht immer gut tut, ist Raacke als Gott in Weiß, für den die Schulmedizin ein Dogma darstellt, schlicht großartig.
Die Nebenfiguren sind nicht minder treffend besetzt (Elena Uhlig, Wotan Wilke Möhring, Katrin Saß und außerdem mehr als bloß Stichwortgeber. Alle haben ihre eigene Geschichte, was den Stoff erst recht serientauglich machen würde. Außerdem hat die Handlung weitaus mehr zu bieten also bloß den ständigen Kampf zwischen Systemen und Geschlechtern. Die Bilder aus dem OP sind allerdings ziemlich unappetitlich. Trotzdem würde man gern mehr sehen, zumindest von Dr. Wu und Sophie Schöner: weil "Der Doc und die Hexe" fast so etwas wie "Emergency Room" plus "Doctor’s Diary" ist.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).