"Rosa Roth: Das Angebot des Tages", 18. September, 20.15 Uhr im Zweiten
Viele Menschen, wird zu Beginn des neuen „Rosa Roth“-Krimis Koch-Ikone Paul Bocuse zitiert, „haben das Essen verlernt, sie können nur noch schlucken.“ Entsprechend oft geht es in der Geschichte um die Zubereitung und den Verzehr von Nahrung, zumal der wichtigste Schauplatz das angesagte Berliner Restaurant „Fab Four“ ist: Mehrere Besucher klagen nach dem Essen über ungewöhnliche Symptome. In zwei Fällen führen sie fast zum Tode: Eine Frau hat sich aus dem Hotelfenster gestürzt und liegt nun im Koma, ein Mann hat die Kontrolle über sein Auto verloren und sich das Bein gebrochen. Wäre er das einzige Opfer, der Fall wäre fast schon geklärt: Jean Reber (Horst-Günter Marx) genießt in Berlin einen gewissen Ruhm als „Gastro-Papst“. Weil in seiner gleichnamigen Kolumne ein anderes Lokal des „Fab Four“-Besitzers nicht besonders gut weggekommen ist, liegt der Verdacht nahe, hier habe jemand schnöde Rache geübt.
Autor Thorsten Wettke legt seinen Krimi jedoch als Diskurs über Ursache und Wirkung an: Beides dürfe man nicht miteinander verwechseln, erklärt der Journalist der Kommissarin (Iris Berben). Später, als die Frau aus dem Hotel doch noch an ihren Verletzungen stirbt und der Witwer (Janek Rieke) zur Waffe greift, wird sich Rosa Roth mit einer ganz ähnlichen Lektion revanchieren; da ist ihr die Lust auf den Mann, dessen Koch- und Verführungskünsten sie zwischenzeitlich erliegt, aber schon wieder gründlich vergangen.
Für einen Krimi hält sich die Spannung des „Rosa Roth“-Films „Das Angebot des Tages“ in Grenzen (Regie: Carlo Rola). Rasch ist klar, dass die Vergiftung durch halluzinogene Pilze hervorgerufen wurde, weil Lokalbesitzer Feilhaber (Jan-Gregor Kremp) auf einen ersten Erpressungsversuch nicht angemessen reagiert hat; die Frage ist bloß, ob es einer der ausgebeuteten Angestellten auf ihn abgesehen hat oder ob womöglich die hübsche Chefin (Jasmin Wagner) einer Sicherheitsfirma dahinter steckt. Wie so oft in dieser Reihe gibt es aber diverse Nebenschauplatze, die Wettke nutzt, um beiläufig über die Situation billiger Arbeiter aus Bangladesh und andere Missstände in der Gastronomie zu informieren; von Tagesgerichten, lernt man auf diese Weise, sollte man besser die Finger lassen, weil darin gern abgelaufene Ware verarbeitet wird.
Umso interessanter und vielschichtiger ist Rosa Roths Gegenspieler. Jan-Gregor Kremp hat viel Gelegenheit, die Facetten des Lokalbesitzers auszuloten: Feilhaber hat in den Siebzigern als Musiker angefangen, hatte dann Erfolg als Produzent und ist irgendwann in der „Gastro“ gelandet; grimmig parodiert Sohn Jörg (Kostja Ullmann) die Durchhalteparolen seines Vaters. Nicht minder reizvoll als diese Beziehung ist die seltsame Form der Kooperation zwischen Roth und ihrem Kollegen Körber (Thomas Thieme): Beide ermitteln stur aneinander vorbei. Die vom Chef geforderte Aussprache ist in ihrer Lakonie eine der besten Szenen des Films; schon allein das Duo Berben/Thieme würde für das Prädikat „sehenswert“ ausreichen.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).