Jesuiten bieten Missbrauchs-Opfern Geld und ernten Lob
Monatelang hagelte es Enthüllungen im Skandal um sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen an kirchlichen Schulen. Nun haben die Jesuiten angeboten, Opfer finanziell entschädigen. Doch das schwächt womöglich die Verhandlungsposition der Bischöfe.

Nach dem Benediktinerkloster Ettal will nun auch der Jesuitenorden in Deutschland Opfern sexueller Gewalt Entschädigungen anbieten - auch wenn katholische Bischöfe das bisher anders sehen. "Wir sind sehr daran interessiert, im Einvernehmen mit der Deutschen Bischofskonferenz zu einer Lösung zu kommen", sagte Ordenssprecher Thomas Busch zu dem möglichen Konflikt am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa in München.

"Die katholische Kirche will sich nicht freikaufen"

Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode sprach sich unterdessen gegen generelle Entschädigungszahlungen für Missbrauchsopfer aus. "Einige werden sicherlich auch Geld brauchen, andere werden aber ganz andere Hilfen haben wollen", sagte der katholische Bischof am Donnerstag im NDR-Fernsehen. Es dürfe auf keinen Fall der Eindruck entstehen, dass sich die katholische Kirche freikaufen wolle.

Jesuitensprecher Busch wollte dem Eindruck begegnen, der Orden setze mit seinen finanziellen Angeboten an Missbrauchsopfer die katholischen Bischöfe unter Druck. Die Bischofskonferenz trifft sich von kommendem Montag an in Fulda zur ihrer Herbstvollversammlung.

Busch bestätigte allerdings einen Bericht der "Süddeutschen Zeitung" (SZ/Donnerstag), wonach sich bereits an diesem Samstag Vertreter der Opfer-Organisation "Eckiger Tisch" in Berlin mit dem obersten Vertreter der Jesuiten in Deutschland, Stefan Kiechle, treffen. "Dabei werden wir über Fragen der Genugtuung für Missbrauchsopfer sprechen", sagte Busch.

"Wir wissen, dass wir bluten müssen"

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sieht in der Ankündigung des Jesuitenordens ein Beispiel für andere Einrichtungen. "Alle Institutionen, die Fälle sexuellen Missbrauchs zu verantworten haben, sind jetzt in der Pflicht, dem Beispiel des Jesuitenordens zu folgen. Auch sie müssen Entschädigungszahlungen auf den Weg bringen", sagte die Politikerin in Berlin. Eine Entschädigung könne widerfahrenes Leid nicht wieder gut machen. "Aber sie ist ein Symbol, erlittenes Unrecht öffentlich anzuerkennen. Wir Grüne fordern die Einrichtung eines Entschädigungsfonds, in den alle betroffenen Institutionen einzahlen müssen", erklärte Künast.

Die Jesuiten meinen, über die Höhe der Entschädigungen müsse noch geredet werden. "Wir denken an eine Summe im vierstelligen Bereich", sagte Kiechle der SZ. Es sei noch nicht entschieden, ob der Mindestbetrag bei 5.000 Euro liegt. "Ja, wir wissen, dass wir bluten müssen", sagte Kiechle. 200 ehemalige Schüler hätten sich beim Orden gemeldet und gesagt, dass ihnen sexuelle Gewalt angetan wurde. "Wie viele von ihnen auch eine Entschädigung wollen, wissen wir nicht."

Die Opferschutz-Organisation Weißer Ring erwartet eine einmalige Pauschale. "Ich gehe davon aus, dass sie sich zwischen 5.000 und 10.000 Euro bewegen wird", sagte der Sprecher der Bundesgeschäftsstelle des Weißen Rings, Helmut K. Rüster, am Donnerstag in Mainz. Am besten sei natürlich die Prüfung jedes einzelnen Falls, wobei mit jedem Betroffenen gesprochen werde.

Verhandlungsposition der Bischöfe womöglich geschwächt

Kiechle zufolge soll eine unabhängige Kommission klären, wer Anspruch auf Geld hat. Es sollten weder Spenden verwendet noch Geld aus Projekten abgezogen werden. Die Ordensmitglieder müssten sich dafür in ihrem Lebensstil einschränken. "Die Brüder sind zum Verzicht bereit." Sühne tue weh, "das muss sie auch".

Das finanzielle Angebot der Jesuiten an Missbrauchsopfer schwächt womöglich die Verhandlungsposition der Bischöfe beim Runden Tisch gegen Missbrauch und gegenüber Opferorganisationen. Der Orden handle jedoch nicht an der Bischofskonferenz vorbei, sagte Kiechle. "Aber wir sehen, dass wir Jesuiten jetzt ein Zeichen setzen müssen, damit es um der Opfer willen vorangeht." Im Januar war bekanntgeworden, dass Jesuiten an mehreren vom Orden getragenen Bildungseinrichtungen in den 1980-er Jahren Schüler sexuell missbrauchten.

Die Bischöfe sind zwar im Prinzip bereit, Opfer von sexueller Gewalt zu entschädigen. Wie dies geschehen soll, ist aber noch offen. "Die Deutsche Bischofskonferenz wird sich an der Klärung von Lösungsmodellen in Fragen der Entschädigung bei sexuellem Missbrauch beteiligen", sagte der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, am Donnerstag. "Dazu diskutieren wir nicht nur am Runden Tisch, sondern werden dort auch an einer tragfähigen Lösung mitarbeiten." Zeitvorgaben und Inhalte gebe es noch nicht. Den Vorschlag der Jesuiten wollte Kopp nicht kommentieren.

Bergmann begrüßt Entscheidung des Jesuitenordens

Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Christine Bergmann, lobte die Absicht des Ordens. «Ich begrüße, dass die Jesuiten die Initiative ergriffen haben», sagte Bergmann der «Frankfurter Rundschau» (Freitagausgabe). «Es ist gut, wenn Institutionen von sich aus nach vorne treten und so die Diskussion bereichern», sagte Bergmann weiter. Der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, Triers Bischof Stephan Ackermann, wollte sich zu dem Vorstoß der Jesuiten hingegen nicht äußern. Er hatte Ende August bereits für die katholische Kirche signalisiert, dass Vertreter von Orden und der Bischofskonferenz "bald" einen Entwurf zum Thema Entschädigung beim Runden Tisch einbringen werden.

Bereits im August hatte das Benediktinerkloster im oberbayerischen Ettal erklärt, dass es einen Opferverein finanziell unterstützt. Ordenssprecher Michael Müller dementierte nicht, dass es sich um einen fünfstelligen Betrag handelt. Auf dpa-Anfrage bestätigte er am Donnerstag zudem, "dass es bereits erste Hilfeleistungen für Geschädigte gab". Auch in dem Kloster waren zu Jahresbeginn zahlreiche Fälle von sexuellem Missbrauch und Misshandlungen an Internatsschülern bekanntgeworden.

dpa