Historischer Besuch: Großbritannien empfängt den Papst
Nach Wochen voller Kontroversen und Diskussionen beginnt am Donnerstag der erste offizielle Staatsbesuch eines Papstes in Großbritannien seit der Kirchenspaltung 1534.

Papst Benedikt XVI. ist  zum Auftakt eines viertägigen Staatsbesuchs in Großbritannien in der schottischen Hauptstadt Edinburgh eingetroffen. Abweichend vom üblichen Protokoll wurde er am Flughafen von Prinz Philip, dem Gemahl der britischen Königin begrüßt. Anschließend begab der Papst sich zur offiziellen Begrüßungszeremonie in den nahe gelegenen Königspalast von Holyroodhouse. Dort stand eine Begegnung mit Elizabeth II. als erster Höhepunkt der Papst-Reise auf dem Programm.

Am Nachmittag wollte das katholische Kirchenoberhaupt in Glasgow eine Messe unter freiem Himmel feiern. Am Freitag sind Begegnungen mit Vertretern anderer Religionen und dem geistlichen Oberhaupt der Anglikaner, Erzbischof Rowan Williams von Canterbury, geplant. Nach einer Ansprache vor Vertretern von Kultur, Wirtschaft und Politik in der Westminster Hall ist eine ökumenische Feier in der nahe gelegenen Westminster Abbey vorgesehen, der Krönungskirche der britischen Könige.

Seligsprechung von Kardinal Newman

Als Höhepunkt der Reise gilt die Seligsprechung von Kardinal John Henry Newman (1801-1890). Newman, von Haus aus Anglikaner, war der katholischen Kirche beigetreten. Es ist der erste Staatsbesuch eines Papstes in Großbritannien. Papst Johannes Paul II. hatte 1982 dem Vereinigten Königreich einen Pastoralbesuch abgestattet.

Unmittelbar vor dem Papst-Besuch gab es in britischen Medien massive Kritik am ehemaligen Ökumene-Minister des Vatikan, Kardinal Walter Kasper. Dabei bezogen sie sich auf Äußerungen des Kardinals zur kulturellen Vielfalt in London und zur Diskriminierung von Christen durch die Fluggesellschaft British Airways. In der britischen Presse wird das Fehlen von Kasper in der Vatikan-Delegation auf diplomatische Verstimmungen zurückgeführt. Der Vatikan betonte dagegen, Kasper nehme aus gesundheitlichen Gründen nicht teil.

Äußerungen Kaspers sorgen für Aufregung

Am Tag vor der Abreise des Pontifex war bekanntgeworden, dass der langjährige Berater Benedikts und Ökumene-Experte Kardinal Walter Kasper nicht mit nach Großbritannien kommt. Der Vatikan nannte gesundheitliche Gründe. In britischen Medien sorgten aber Äußerungen Kaspers für Aufregung, die Großbritannien in die Nähe eines Entwicklungslandes rücken.

"Wenn Sie am Flughafen Heathrow landen, denken Sie manchmal, Sie wären in einem Land der Dritten Welt gelandet", sagte Kasper dem Magazin "Focus". Christen würden in Großbritannien benachteiligt. "Ja, vor allem in England ist ein aggressiver Neu-Atheismus verbreitet", sagte Kasper dem Magazin. "Wenn Sie etwa bei British Airways ein Kreuz tragen, werden Sie benachteiligt."

Auf dem dichten Zeitplan des Papstes während seiner vier Tage in Großbritannien mit insgesamt 13 Ansprachen steht auch ein ökumenischer Gottesdienst in der anglikanischen Westminster Abbey. Ferner zelebriert der Heilige Vater eine Messe in der katholischen Westminster Cathedral. Benedikt wird auch den britischen Premierminister David Cameron sowie zahlreiche weitere Vertreter aus Kirche und Politik treffen.

Papst-Visite löst Diskussionen aus

Cameron schrieb in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Rundschau" (Donnerstag), der Vatikan und die britische Regierung seien im Kampf gegen die Armut vereint. Großbritannien wolle spätestens 2013 sein Ziel, 0,7 Prozent des Nationaleinkommens für Entwicklungshilfe bereitzustellen, erfüllen.

Die Papst-Visite hatte im Vorfeld Diskussionen ausgelöst. Von den 60 Millionen Briten sind nur zwischen fünf und sechs Millionen Katholiken. Der größte Teil der Christen im Königreich gehört der "Church of England" an, die im 16. Jahrhundert durch die Abspaltung König Heinrichs VIII. vom Vatikan entstanden war.

Die Kritik richtete sich unter anderem gegen die Kosten des Staatsbesuchs, von denen rund 12 Millionen Pfund (14,3 Mill. Euro) vom Steuerzahler getragen werden sollen. Befürworter wandten ein, dies sei nur ein Bruchteil des Kosten etwa für einen G20-Gipfel. Opferverbände und Menschenrechtler forderten die Katholische Kirche auf, stärker bei der Aufklärung der Fälle von sexuellem Missbrauch in ihren Reihen zu helfen.

Protestbewegungen kündigen Demonstrationen an

Einen Tag vor der Ankunft Benedikts wandten sich mehrere Prominente am Mittwoch in einem offenen Brief an den Pontifex. "Wir teilen die Ansicht, dass Papst Ratzinger nicht die Ehre eines Staatsbesuches in diesem Land gewährt werden sollte", heißt es in dem in der Zeitung "The Guardian" veröffentlichten Schreiben. Es wurde unter anderem vom Wissenschaftler Richard Dawkins und den Schriftstellern Stephen Fry und Ken Follett unterzeichnet.

Das Oberhaupt der Katholiken in England und Wales, Erzbischof Vincent Nichols, hatte am Vortag zugegeben, dass der Umgang der Kirche mit dem weltweiten Missbrauchsskandal falsch gewesen sei.

Mitglieder mehrerer Protestbewegungen haben bereits Demonstrationen während der Papstvisite angekündigt. Sie fordern unter anderem, dass die Kirche interne Unterlagen herausgeben und stärker bei der polizeilichen Verfolgung von Missbrauchstätern helfen soll. Ob der Papst sich in Großbritannien mit Opfern trifft, blieb zunächst offen. Medien spekulierten jedoch, dass der Zeitplan wie bei früheren Papst-Reisen offenbar Lücken für ein solches Treffen aufweise.

epd/dpa