Die Stimme der Frau zittert. "Ich bin heute Nacht vergewaltigt worden und weiß nicht, was ich jetzt machen soll", sagt sie. Der Polizeibeamte, der den Notruf am 9. Februar entgegennimmt, fragt: "Von wem?" Die Frau zögert. Dann sagt sie, vorsichtig: "Von meinem Freund."
Mit dieser Tonaufnahme des mutmaßlichen Opfers hat am Mittwoch im Prozess gegen Fernsehmoderator Jörg Kachelmann die Beweisaufnahme begonnen. Es war der bisher bewegendste Moment in dem Verfahren, das zuvor von prozessrechtlichen Streitigkeiten zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft geprägt war. Kachelmann ist angeklagt, seine langjährige Geliebte im Februar 2010 mit einem Messer bedroht und vergewaltigt zu haben. Der 52-jährige Schweizer bestreitet die Vorwürfe.
Erste Zeugen vernommen
Als erster Zeuge wurde am Mittwoch der ermittelnde Kriminalbeamte gehört. Das mutmaßliche Opfer, eine 37 Jahre alte Radiomoderatorin, sei am Tag nach ihrer Anzeige zweimal vernommen worden. Dazwischen sei sie rechtsmedizinisch und gynäkologisch untersucht worden. Obwohl klar war, dass Kachelmann noch am selben Tag nach Kanada fliegen wollte, entschied die Staatsanwaltschaft, ihn zunächst nicht festnehmen zu lassen. "Wir hatten seinerzeit Bedenken hinsichtlich eines dringenden Tatverdachts", sagte Oberstaatsanwalt Oskar Gattner.
Kachelmann wurde erst am 20. März bei seiner Rückkehr am Flughafen Frankfurt verhaftet. Er habe "ruhig und abgeklärt" reagiert, berichtete der Beamte vor Gericht. "Er hat keine besonders emotionale Reaktion gezeigt." Zum Tatvorwurf habe er nichts gesagt. Auch die Frau, die Kachelmann vom Flughafen abgeholt hatte, wurde am Mittwochnachmittag als Zeugin vernommen. Für ihre Aussage schloss das Gericht die Öffentlichkeit aus, da es vorwiegend um "Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich" ging, einschließlich des Sexuallebens.
Kachelmann selbst verfolgte die Verhandlung weitgehend regungslos. Er will sich vorerst nicht vor Gericht äußern. Am Montag war seine Aussage vor dem Haftrichter verlesen worden, in der er die Vorwürfe bestritt.
Gutachter gegen Gutachter
Noch am Mittwochmorgen hatten Kachelmanns Verteidiger einen weiteren Antrag gestellt, der zu einer zeitweiligen Unterbrechung des Verfahrens führte: Kachelmanns Verteidiger fordern, dass drei von ihnen benannte Sachverständige Gutachten über die Glaubwürdigkeit und die Verletzungen des mutmaßlichen Opfers erstellen sollen. Die Staatsanwaltschaft äußerte ihrerseits Zweifel an der Objektivität der Gutachter und kündigte Befangenheitsanträge gegen zwei der Gutachter an. Sie hätten bereits vor Prozessbeginn Stellungnahmen zugunsten Kachelmanns abgegeben.
In einer Verhandlungspause nahm Verteidiger Birkenstock auch zur Tonbandaufnahme Stellung. "Der Notruf hat mich sehr beeindruckt", sagte Birkenstock. "Man sollte ihn tagtäglich in dieser Hauptverhandlung vorführen." Und dann, ironiefrei: "Der Notruf wirkt glaubwürdig als Aktion einer sachlich agierenden Persönlichkeit." Der Prozess wird am kommenden Mittwoch fortgesetzt.