"Tatort: Das Ende des Schweigens", 16. September, 20.15 Uhr, im WDR
An Bord finden sich zwar die persönlichen Dinge der Bootsbesitzerin, nicht jedoch ihre Brille; offenbar wollte jemand einen Selbstmord inszenieren. Dieser Jemand aber ist ein Phantom: Er trägt den Namen eines Toten. Borowski steht vor einem Rätsel, zumal es auch keine Leiche gibt. Ohne Leiche kein Mord, ohne Mord kein Fall; selbst wenn sich die Schwester (Anna Brüggemann) der verschwundenen Frau reichlich seltsam benimmt.
Zwar nicht seltsam, aber zumindest doch ungewöhnlich ist dieser „Tatort“ aus Kiel. Inszeniert hat ihn Buddy Giovinazzo, der vor einigen Jahren einen recht plakativen „Polizeiruf“ aus München verantwortlich gedreht hat („Mit anderen Augen“ mit Udo Kier). Hier aber konzentriert sich der Amerikaner, der seit vielen Jahren in Berlin lebt, ganz auf seine Darsteller. Oder richtiger gesagt: auf Milberg, der diesen „Tatort“ stärker schultern muss als frühere Kieler Auftritte. Der Fall wird dabei fast zweitrangig, denn das Drehbuch von Jörg von Schlebrügge konzentriert sich mehr und mehr auf Borowskis Verhältnis zu den unterschiedlichen weiblichen Figuren: Bei Frauen streckt der sonst so poltrige Kommissar auf fast rührende Weise die Waffen. Das gilt allen voran natürlich für Kriminalpsychologin Jung (gespielt von der mittlerweile ausgestiegenen Maren Eggert, deren Nachfolgerin ab Oktober Sibel Kekilli ist). Aber auch Borowskis halbwüchsigen Tochter, die in einem ähnlich anstrengenden Alter ist wie die junge Schwester der verschwundenen Frau, macht ihm das Leben schwer. Und dann ist da noch die Mutter (Susanne Lothar) der beiden Schwestern, eine etwas exaltierte Person, die wie ein Fremdkörper durch den Film stöckelt.
Außer Borowskis Chef (Thomas Kügel) spielt überhaupt nur ein Mann eine nennenswerte Rolle in dieser undurchsichtigen Geschichte, und das ist der große Unbekannte (Thomas Heinze), der sich hinter dem Namen Kovac verbirgt. Selbstredend liefert Schlebrügge Gründe genug für die Gewissheit, dass Kovac der Mörder ist, als Borowski die Frau erstochen und vergraben in ihrem Vorgarten entdeckt; trotzdem ist die Auflösung am Ende eine echte Überraschung.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).