Zehn Jahre ist es her, dass sich die Staatengemeinschaft an der Schwelle des neuen Jahrtausends Ziele für eine bessere Welt gesetzt hat: Bis 2015 soll es deutlich messbar weniger Armut, Hunger, Krankheiten und Bildungsmangel auf der Erde geben. Der seither auf acht Millenniumsziele erweiterte und verfeinerte Katalog findet international ungewohnt breiten Zuspruch. Auf ihn berufen sich der Internationale Währungsfonds ebenso wie Globalisierungsgegner.
Zwischenbilanz: Erfolge und Misserfolge
Die letzte große Zwischenbilanz steht an. Vom 20. bis 22. September kommen Staats- und Regierungschefs aus aller Welt zu einem UN-Gipfel in New York zusammen. Sie wollen über Fortschritte und Rückschläge beraten, den Bemühungen um die Millenniumsziele neuen Schwung verleihen: "Das Versprechen halten" ist der Entwurf des Abschlussdokuments überschrieben.
Es gibt Erfolge und Misserfolge: So wird die Welt das große Ziel, den Anteil der extrem Armen an der Bevölkerung zu halbieren, nach der Prognose der Vereinten Nationen auf globaler Ebene wohl erreichen. Das gelingt aber vor allem dank der Erfolge Chinas. Afrika oder Indien werden eine Halbierung kaum schaffen.
Armut, Hunger, Bildung und Gesundheit
Konkret: 1990 mussten 46 Prozent der Erdbewohner von weniger als 1,25 US-Dollar am Tag leben. 2005 waren es 27 Prozent. Die Weltbevölkerung wächst, und so fällt der Rückgang in absoluten Zahlen weit bescheidener aus: Die Zahl der Ärmsten sank von 1,8 auf 1,4 Milliarden Menschen. Und selbst das ist womöglich nur von kurzer Dauer: Die Weltbank schätzt, dass 2010 infolge der Ernährungs- und Wirtschaftskrise wieder 64 Millionen Menschen in die extreme Armut abrutschen.
Weit schlechter sieht es beim Hunger aus: Hatte man 1996 auf dem Welternährungsgipfel in Rom noch mutig eine Halbierung der absoluten Zahl der damals 800 Millionen Hungernden auf 400 Millionen angepeilt, war man im Jahr 2000 schon davon abgerückt. In den Millenniumszielen geht es nur noch um eine Halbierung des Bevölkerungsanteils, der hungern muss. Er sank zwischen 1990 bis 2007 von 20 auf 16 Prozent. Dabei stieg die Zahl der Hungernden 2008 auf den historischen Höchststand von mehr als einer Milliarde Menschen. Jetzt verkünden die UN-Experten für 2009 einen leichten Rückgang auf 925 Millionen.
Auch bei Bildung und Gesundheit ergibt sich ein gemischtes Bild: Stehen die Staaten insgesamt im Bemühen um einen Grundschulabschluss für alle Jungen und Mädchen recht gut da, sind die Fortschritte bei der Kinder- und Müttersterblichkeit viel zu gering, um die geplante Reduzierung um zwei Drittel oder drei Viertel bis 2015 zu schaffen.
Kirchen für Erhöhung der stattlichen Entwicklungshilfe
Obwohl die meisten der acht Millenniumsziele mit ihren 21 Unterzielen verfehlt werden, möchte sie kaum ein Politiker als Utopie abtun. "Ein Aufgeben der Ziele, ein Zurückweichen darf es nicht geben", sagt etwa Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP). Strittig bleiben die Maßnahmen, wie die Ziele erreicht werden sollen. Setzt Niebel etwa vor allem auf Wachstum und gute Regierungsführung im Süden, fordern andere einen Politikwechsel im Norden.
Kirchliche und private Hilfswerke mahnen die Erhöhung der staatlichen Entwicklungshilfe an. 0,7 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung, doppelt so viel wie heute, sollen bis 2015 an Länder des Südens gehen. Ein Millenniumsziel ist das nicht, aber es ist im EU-Stufenplan vereinbart, den Deutschland schon 2010 verfehlt. Statt 0,51 Prozent werden es in dem Jahr voraussichtlich nur 0,4 sein.
"Hunger ist vor allem ein Einkommensphänomen"
Wo sollten die zwei Milliarden Euro herkommen, die Niebel jährlich für seinen Etat bräuchte, um aufzustocken? Der Entwicklungsexperte Jens Martens von der Initiative "Global Policy Forum" hat durchaus Ideen: Die geplante Flugticketsteuer werde voraussichtlich eine Milliarde einbringen, die Brennelemente-Abgabe 800 Millionen. Und wenn Hotels wieder Mehrwertsteuer zahlen würden, käme eine Milliarde in die Staatskasse.
Klaus Seitz, Leiter der Abteilung Politik und Kampagnen bei "Brot für die Welt", fordert einen grundlegenden Kurswechsel "Hunger ist vor allem ein Einkommensphänomen", sagt er. "Den hungernden Familien fehlt die Kaufkraft, um sich ausreichend Nahrungsmittel zu kaufen. Neben der Förderung der Bäuerinnen und Bauern bedarf es einer ländlichen Entwicklung, die Arbeitsplätze schafft."