70.000 Menschen singen beim Gospelkirchentag
Überall dröhnen Bässe und Schlagzeug, Pianos und E-Gitarren klingen in den Straßen. Mehrere Open-Air-Bühnen versetzen am Wochenende die Karlsruher Innenstadt ins Gospel-Fieber. Rund 5.000 Dauerteilnehmer haben sich angemeldet, um die Stars der Szene zu erleben und Impulse für den Gospelchor nach Hause mitzunehmen. Am Ende könnten es nach Angaben der Veranstalter bis zu 70.000 Besucher gewesen sein - mehr als jemals zuvor.
12.09.2010
Von Ralf Schick

"We shall overcome" sei eigentlich ein Weltbürgerrechtssong und ein antifaschistisches Lied, sagt die ehemalige Punk-Legende Nina Hagen beim Auftakt. Die vor einem Jahr getaufte Christin und neue Botschafterin des Glaubens verleiht dem etwas antiquierten Hit mit rauchiger Stimme neuen Glanz: Tausende singen mit, quasi als Hintergrundchor, recken die Arme hoch, mancher wedelt mit dem gelb-orange-rot-farbenen Gospelkirchentagsschal - oder in der grünen Variante mit der Aufschrift "für eine gerechtere Welt".

"Der Gesang steckt irgendwie an", bekräftigen Katja Klaas (39) aus Lorsch und die Schweizerin Martina Beck (28), die am Sonntagmorgen auf dem Weg zum großen Massenchorsingen vor der Europahalle sind. In Deutschland gibt es Schätzungen zufolge rund 3.000 Gospelchöre mit rund 120.000 Sängerinnen und Sängern.

Die Szene wächst

Und die Szene wächst weiter, sagt der Geschäftsführer des 5. Internationalen Gospelkirchentages, Martin Bartelworth aus Witten im Ruhrgebiet. "Gospel heilt die Seele. Wir sind die größte Apotheke Deutschlands", sagt er.

Bereits am Freitagabend geht kurz vor Mitternacht in der Karlsruher Christuskirche nichts mehr. Mehr als 1.300 Menschen tanzen, klatschen und singen, während Hunderte keinen Zutritt mehr in das evangelische Gotteshaus erhalten. Auch in den anderen zwei Dutzend Kirchen in der Region Karlsruhe schwappt die Begeisterung über. Der Höhepunkt ist für viele am Samstag der Auftritt der international erfolgreichsten Gospelchöre, der US-Band Naturally7 und des Oslo Gospel Choir.

Jazzige Elemente

Tausende feiern in gut zwei Dutzend Kirchen eine lange Gospelnacht und strömen am Tag im strahlendem Sonnenschein zu den vielen Konzerten auf den Freilichtbühnen. Gospelmusik hat inzwischen viele Stile, das wird immer wieder hörbar. Mal klingt es nach den Hitmelodien aus dem "Sister Act"-Film mit Whoopie Goldberg, längst fließen aber auch rockige oder jazzige Elemente in die ursprünglich afroamerikanische Musik.

"Gospelmusik hat die Kraft, Menschen zusammenzubringen und Brücken zwischen ihnen zu bauen", sagt der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU). Der badische evangelische Landesbischof Ulrich Fischer war sich sicher, das Fest unterbreche für drei Tage den Alltag und belebe ihn mit begeisternden Klängen neu. Die Kirche habe ihren Auftrag besonders eindrucksvoll wahrgenommen, "das Evangelium kräftig und vielfältig singend und musizierend zu verkündigen".

epd