Der 11. September zwischen Zwist und Zorn
Kontroversen über den Islam haben in den USA das Gedenken am neunten Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September überschattet. US-Präsident Barack Obama mahnte zu religiöser Toleranz. "Wir stehen nicht im Krieg mit dem Islam", sagte er bei einer Gedenkfeier im Pentagon in Washington. Die Attentäter seien Terroristen gewesen, die eine Religion pervertiert hätten.
12.09.2010
Von Konrad Ege

Strahlend blauer Himmel: Der Samstag war ein ebenso schöner Herbsttag wie der 11. September vor neun Jahren, als muslimische Extremisten drei Passagiermaschinen auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington steuerten. Die "911-Gedenktage" haben die Amerikaner seither immer zusammengebracht. Doch in diesem Jahr wurde die Erinnerung an die Toten erstmals von einem heftigen Streit über den Islam überschattet.

US-Präsident Barack Obama bemühte sich, seine Landsleute zu Einigkeit und Toleranz anzuhalten. Der Anschlagsort in New York, "Ground Zero", ist noch immer Baustelle, aber der Rohbau eines neuen Wolkenkratzers ragt schon aus der Grube. Die Nationalflaggen wehten auf Halbmast, als um 8.46 die New Yorker Kirchenglocken läuteten. In dieser Minute war 2001 das erste Flugzeug in das World Trade Center gerast. Nun versammelten sich mehrere Tausend Angehörige der Opfer in der Nähe der Baugrube. Bei der Feierstunde wurden die Namen aller 2.752 Toten verlesen.

"Keinen Krieg gegen den Islam"

In Washington gedachten Präsident Obama und ranghohe Militärs vor dem Verteidigungsministerium der 184 Menschen, die beim Absturz der entführten Maschine auf das Pentagon umkamen. Man ehre die Toten am besten, wenn man an der amerikanischen Toleranz festhalte und es "einer kleinen Gang von Mördern...nicht erlaubt, unsere Identität zu entstellen," mahnte Obama. Amerika führe "keinen Krieg gegen den Islam". 

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In den USA war eine anti-islamische Stimmung hochgekocht. Angeheizt wurde sie von konservativen republikanischen Politikern vor den Kongresswahlen im November, rechtspopulistischen Talkshow-Moderatoren und rechten Predigern. Der Baptist Franklin Graham spottete im Rundfunk, "der wahre Islam" könne in den USA gar nicht praktiziert werden, da man in den USA "seine Ehefrau nicht schlagen darf".

Demonstrationen für und gegen Begegnungszentrum

Der Publizist Patrick Buchanan warnte, der Islam sei nicht vereinbar mit Pluralismus und Religionsfreiheit. Besonders heftig kritisierten anti-islamische Verbände die geplante islamische Kultur- und Begegnungsstätte unweit von "Ground Zero". Damit wollten Muslime ihren "Triumph" feiern, sagte Pam Geller, Wortführerin der Initiative "Stoppt die Islamisierung von Amerika". Ex-Präsident George W. Bushs Berater, Karl Rove, verglich Initiatoren des Zentrums mit "Neo-Nazis".

Hunderte demonstrierten aber gleichzeitig für den Bau des Begegnungszentrums. In den USA gelte Religionsfreiheit für alle, erklärten sie. Der New Yorker Imam Feisal Abdul Rauf, Initiator des Zentrums, sagte im CNN-Fernsehen, er hätte den Plan nicht vorgelegt, hätte er gewusst, er würde "diese Schmerzen verursachen". Aber wenn er jetzt zurückziehe, hätten die "Radikalen" gewonnen, und in den "Schlagzeilen der islamischen Welt würde es heißen, der Islam werde angegriffen".

Debatte über Koranverbrennung

Auch zahlreiche Angehörige der Terroropfer lehnen das Bau-Projekt ab. Nach der Gedenkfeier am Samstag kamen Hunderte Menschen zu einer Kundgebung gegen die "Ground-Zero-Moschee" zusammen. Ein aufgebrachter junger Mann riss mehrere Seiten aus einem Koran und zündete sie an. Er sei von der Polizei festgenommen worden, berichtete die Zeitung "New York Post".

Erst am Abend vor dem Gedenken hatte sich die Kontroverse etwas entspannt, als der evangelikale Prediger Terry Jones aus Florida seinen Plan, Exemplare des Korans zu verbrennen, absagte. Im Fernsehsender NBC erklärte der Pastor der kleinen fundamentalistischen "Dove World Outreach Center"-Kirche in Gainesville, er werde den Koran "definitiv" nicht verbrennen, "nicht heute, nicht sonst". Er habe das "Gefühl", Gott wolle es so. Dass eine Gemeinde in Kansas angeblich dann doch einen Koran verbrannte, wurde kaum beachtet.
 

epd