Erika Steinbach kündigt nach Eklat Rückzug an
Äußerungen von Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach zur Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges haben einen Eklat in der Unions-Fraktion ausgelöst und zum Bruch der CDU-Politikerin mit der Parteispitze geführt. Zwar stellte sich die CDU/CSU-Fraktionsführung am Donnerstag in Berlin hinter Steinbach. Die 67-Jährige kündigte aber ihren Rückzug aus dem CDU-Parteivorstand an, sie habe dort als Konservative nur eine Alibifunktion. Diese Kritik wies CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe umgehend zurück.

Bei der Fraktionsklausur hatte Steinbach am Mittwoch Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) angegriffen. Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV) warf ihm vor, sich nicht hinter die beiden Vertriebenenfunktionäre gestellt zu haben, die der BdV als Stellvertreter in den Rat der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" entsandt hat. Die beiden Vertreter, Hartmut Saenger und Arnold Tölg, stehen wegen revisionistischer Äußerungen in der Kritik.

Wegen der Berufung von Saenger und Tölg in den Stiftungsrat lässt der Zentralrat der Juden in Deutschland seine Mitarbeit in der Stiftung vorerst ruhen. Die Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" soll in Berlin eine Ausstellung und Dokumentationsstätte über das Schicksal der deutschen Vertriebenen am Ende des Zweiten Weltkriegs aufbauen.

"Polen hat mobil gemacht"

In der Auseinandersetzung während der Fraktionsklausur nahm Steinbach die beiden Funktionäre in Schutz. In diesem Zusammenhang habe sie gesagt: "Und ich kann es auch leider nicht ändern, dass Polen bereits im März 1939 mobil gemacht hat", bestätigte Steinbach anschließend der Zeitung "Die Welt" (Donnerstagsausgabe). 

Der Vorsitzende der Unionsfraktion, Volker Kauder (CDU), sprach Steinbach sein Vertrauen aus. Sie habe später klargestellt, dass sie die Schuld Deutschlands am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nicht relativieren wolle. Kauder berichtete, er habe in der Klausursitzung die Äußerung Steinbachs sofort zurückgewiesen und deutlich gemacht, dass Polen keine Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs treffe. "Die Schuldfrage wird nicht relativiert", betonte Kauder. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe klargemacht, dass sie die Meinung Kauders teile. Der Krieg begann mit dem Überfall Deutschlands auf Polen am 1. September 1939.

Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Hans-Peter Friedrich, stellte sich ebenfalls hinter Steinbach. Auch an der Arbeit des BdV, deren Präsidentin Steinbach ist, habe er keine Zweifel. 

Vorstandsneuwahl in zwei Monaten

Steinbach selbst reagierte verärgert. "Ich werde nicht mehr erneut für den Parteivorstand kandidieren", kündigte sie in der "Welt" (Freitagsausgabe) an. Sie habe dort nur noch eine Alibifunktion. "Ich stehe dort für das Konservative, aber ich stehe immer mehr allein." Die CDU sei auf keinem guten Weg. Mit Anpassung ziehe man keine Wähler an.

Dem Südwestrundfunk sagte Steinbach, der Vorgang in der Fraktionsklausur habe eine bereits getroffene Entscheidung bestätigt. Parteichefin Merkel und ihre hessischen Parteifreunde seien informiert gewesen.

CDU-Generalsekretär Gröhe kritisierte Steinbach scharf. "Niemand hat ein Monopol auf konservatives Denken", sagte Gröhe der "Welt" (Freitagsausgabe): "Konservative Stimmen sind in der CDU keineswegs isoliert und werden auch im neuen Bundesvorstand vertreten sein." Die CDU trifft sich Mitte November zum Bundesparteitag in Karlsruhe. Dort wird auch der Vorstand neu gewählt. 

Grüne für Parteiausschluss

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) bezeichnete am Rande der FDP-Fraktionsklausur in Bergisch-Gladbach "zweideutige Äußerungen, die die schwere Verantwortung Deutschlands am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges infrage stellen" als nicht akzeptabel. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, forderte die CDU auf, sich von Steinbach zu distanzieren.

Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, forderte personelle Konsequenzen und befürwortete einen Parteiausschluss Steinbachs, die seit 20 Jahren für die CDU dem Bundestag angehört. Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, sagte, die revanchistischen Äußerungen seien eine unerträgliche Belastung des deutsch-polnischen Verhältnisses und eine weitere Brüskierung des Zentralrats der Juden.

epd