Steigende Lebenshaltungskosten, hohe Arbeitslosigkeit und eine schlechte Wirtschaftslage sind einer Langzeitstudie zufolge seit 20 Jahren die größten Ängste der Deutschen. Dazu kommt die Sorge, im Alter ein Pflegefall zu werden oder schwer zu erkranken. Weit verbreitet sind nach der am Donnerstag in Berlin vorgestellten Untersuchung "Die Ängste der Deutschen" der R+V-Versicherung auch Sorgen vor der eigenen Arbeitslosigkeit und die Zunahme von Naturkatastrophen.
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Insgesamt erreicht der Index, der alle Werte zusammenfasst, erstmals seit 2005 wieder einen Höchststand von 50 Prozent (2009: 44). Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) fragte für die Studie im Auftrag der R+V Versicherung im Juni und Juli knapp 2500 repräsentativ ausgewählte Bürger nach ihren größten Ängsten. Im Rückblick auf die vergangenen 20 Jahre sehen die Experten eine Zunahme, ausgelöst durch Terroranschläge, die Euro-Einführung und die Finanzkrise.
Die Furcht vor Orkanen, Überschwemmungen und Erdbeben ist demnach so hoch wie nie zuvor. 64 Prozent der Befragten äußerten entsprechende Ängste. "Darauf haben sicherlich das Erdbeben in Haiti, der Ausbruch des isländischen Vulkans oder die Ölpest im Golf von Mexiko großen Einfluss gehabt", sagte die Sprecherin der R+V-Versicherung, Rita Jakli.
Bundesbürger sorgen sich um Politiker
Wie in den vergangenen Jahren haben die Bundesbürger mit 68 und 67 Prozent auch 2010 wieder die größte Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten und einer schlechten Wirtschaftslage. Das begründet der Heidelberger Politologe Manfred Schmidt mit der "historischen Erfahrung fundamentaler Unsicherheit", welche die Deutschen mit Hyperinflation, Zweitem Weltkrieg und Währungsreformen in der Vergangenheit gemacht haben. Die Sicherheit der Preise und Währung stehe deshalb bei vielen ganz oben.
Dagegen hat die Furcht vor höherer Arbeitslosigkeit trotz Wirtschaftskrise im Vergleich zu 2009 um vier Prozentpunkte auf 61 Prozent abgenommen. Damit liegt sie in der deutschen Angst-Rangliste nur noch auf Platz sechs. "Hier honorieren die Deutschen die erfolgreiche Politik der Bundesregierung, mit Kurzarbeit und Konjunkturanreizen einen rasanten Anstieg der Arbeitslosigkeit verhindert zu haben", sagte Schmidt.
Allerdings trauen die Befragten der Politik sonst nicht viel zu. 83 Prozent benoten die Arbeit von Politikern mit ausreichend, mangelhaft und ungenügend. Die sind acht Prozentpunkte mehr als 2009. Die geringste Angst haben die Deutschen auch 2010 schon traditionell vor dem Zerbrechen der Partnerschaft (23 Prozent).
Hessen ängstlicher als Berliner
Im Rahmen der Langzeitstudie werden seit 1991 jeweils im Juni und Juli rund 2.500 Menschen im Alter ab 14 Jahren interviewt. Dabei werden ihnen 16 Fragen aus dem wirtschaftlichen, politischen und sozialen Umfeld gestellt, die auf einer Skala von eins (gar keine Angst) bis sieben (sehr große Angst) beantwortet werden sollen. Gab es bisher immer noch große Unterschiede zwischen den Ängsten in Ost und West, haben sich die Ängste der Deutschen im Jahr 20 der deutschen Einheit nahezu angeglichen. Insgesamt sind Frauen etwas ängstlicher als Männer. Bei den Bundesländern verzeichnen Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Hessen die höheren Werte. Am wenigsten ängstlich gibt man sich in Rheinland-Pfalz, Bayern und Berlin. Die Unterschiede hätten aber inzwischen mehr mit Arbeitslosigkeit zu tun als etwa mit Ost-West-Differenzen, hieß es.
Erstmals wurde in diesem Jahr die Frage nach dem Glück gestellt. Auf den ersten fünf Plätzen rangieren ausschließlich familiäre Themen: die Familie, die Geburt von Kindern und das Zusammenleben. Schmidt sprach von einem unerwarteten Mechanismus der "Selbststabilisierung": "Selbst wenn die Politik nicht funktioniert, sind die Menschen oft noch glücklich, wenn sie Kinder und Enkelkinder haben", sagte Schmidt.