Roma-Debatte: EU-Parlament kritisiert Kommission
Das Europäische Parlament hat die Zurückhaltung der EU-Kommission zur Frage der Rechtmäßigkeit der Roma-Ausweisungen in Frankreich mehrheitlich kritisiert.

Ein Großteil der Abgeordneten warf der Kommission am Dienstag in Straßburg vor, die Situation schön zu reden und sich aus der Verantwortung "herauszuschummeln". Die geplante Abstimmung über eine Resolution wurde auf Donnerstag verschoben.

Vertragsbruchverfahren gegen Frankreich

In einer Aussprache vor dem Europäischen Parlament hatte die EU-Justizkommissarin Viviane Reding keine Angaben darüber gemacht, ob Frankreich bei den Ausweisungen der Roma nach Bulgarien und Rumänien gegen EU-Recht verstößt. Vielmehr begrüßte sie die Aussagen der französischen Regierung, dass es sich bei den Abschiebungen nicht um Massenbestrafungen handele und keine Ethnie kollektiv stigmatisiert werde. "Die Staaten sind für die öffentliche Ordnung und die Sicherheit zuständig", sagte Reding. "Es steht den Staaten zu, auch EU-Bürger auszuweisen, wenn etwa kriminelle Gefahr besteht."

Die Mehrheit der Abgeordneten verlangte von Reding, ein Vertragsbruchverfahren gegen Frankreich einzuleiten. "Die EU-Kommission darf sich nicht in eine schweigende Komplizenschaft begeben, sondern muss Missstände klar benennen und neue Integrationsstrategien aufzeigen", sagte die SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel. Livia Jaroka, Roma-Beauftragte der konservativen EVP-Fraktion, warf der Kommission vor, Lippenbekenntnisse abzugeben. "Das Roma-Thema ist ein EU-Thema und darf nicht zur politischen Show werden", sagte Jaroka. Auch Vertreter der Linken und der Grünen zeigten sich enttäuscht.

Maßnahmenkatalog für Integration der Roma

Die Abgeordneten betrachten die Ausweisungen der Roma als diskriminierend und als Verstoß gegen die Personenfreizügigkeit in den EU-Mitgliedsstaaten. Die Kommission hat eine weitere rechtliche Prüfung der Vorgänge in Frankreich angekündigt. Außerdem will sie einen Maßnahmenkatalog umsetzen, der die Integration der Roma in den EU-Staaten fördert. Finanzielle Mittel sollen aus dem europäischen Sozialfonds bereitgestellt werden. Neben einer besseren Schulbildung soll der Zugang zum Arbeitsmarkt für Roma verbessert werden. Außerdem will Reding verstärkt gegen Menschenhandel vorgehen, von dem die Roma besonders betroffen seien.

Lediglich unter rechten Abgeordneten im Europäischen Parlament fand das Vorgehen der französischen Regierung Zustimmung. "In einem demokratischen Staat ist es völlig legitim, illegale Lager aufzulösen und Kriminelle auszuweisen", sagte Philip Claeys, Abgeordneter der flämischen Rechtspartei Vlaams Belang. Abgeordnete der ungarischen nationalistischen Jobbik-Partei hatten bereits vorgeschlagen, Roma in bestimmte Gebiete auszuweisen, um die "öffentliche Ordnung" wieder herzustellen.

Ein Großteil der Abgeordneten forderte eine parteiübergreifende Entschließung. Teil der Resolution ist es, die Abschiebungen sofort zu beenden und einen sogenannten Roma-Strategie-Plan ins Leben zu rufen. Dabei müssen die Mitgliedsstaaten nicht nur finanziell die Integrationspläne unterstützen, sondern auch konkrete Bildungshilfen anbieten. Die Europäische Kommission soll bei der Umsetzung des Plans als Mittler zwischen den Staaten agieren und die Situation der Roma in den Ländern beobachten.

epd