Atomdeal: EKD kritisiert Fixierung auf Gewinne
Nach dem schwarz-gelben Atomkompromiss bleibt die Unzufriedenheit mit der weiteren Entwicklung der Energiepolitik vorherrschend. Auch die EKD kritisiert den Kompromiss, bei dem es nur um die Aufteilung der Gewinne gegangen sei.

So fordern Stadtwerke und kommunale Versorger einen finanziellen Ausgleich für mögliche Milliardenschäden durch die längeren Laufzeiten für Kernkraftwerke. Sie befürchten eine Gefahr für ihre Investitionen in umweltfreundliche Energieerzeugung. Auch die Windenergiebetreiber rechnen mit negativen Folgen. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) zeigte sich dagegen insgesamt zufrieden mit dem Kompromiss und versicherte, er werde sich um das bislang ungelöste Problem der Endlagerung von Atommüll kümmern. Kritik kommt auch von der evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Am Ausstieg aus der Atomenergie sollte nach Ansicht des Umweltbeauftragten der EKD, Hans Diefenbacher, festgehalten werden. Ohne Not wolle die Bundesregierung den Atomkonsens von 2001 durch Laufzeitverlängerung rückgängig machen, sagte Diefenbacher am Dienstag dem epd.

"Der Weg in eine nachhaltige und zukunftsfähige Energieversorgung wäre ohne Probleme möglich", sagte Diefenbacher. Beim Streit der vergangenen Monate gehe es vorrangig um die Aufteilung der Gewinne, die durch eine längere Laufzeit der Atomkraftwerke zu erzielen sind, und nicht um zukunftsfähige Energiekonzepte.

"Die Debatte ist in Gefahr an der Frage der Sicherheit und dem Problem der Endlagerung vorbeizugehen", warnte der Beauftragte für Umweltfragen. Auch bei geringem Risiko eines großen Unfalls sei das Ausmaß des Schadens nach wie vor nicht akzeptabel. Mit längeren Laufzeiten steige das Risiko an.

Problem der Entsorgung nicht gelöst

In den zurückliegenden Jahrzehnten habe keine Bundesregierung eine Lösung für das Problem der Endlagerung radioaktiver Abfälle präsentieren können, argumentierte Diefenbacher, der auch stellvertretender Leiter der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft in Heidelberg ist. Mit längeren Laufzeiten erhöhe sich die Größenordnung des Entsorgungsproblems deutlich.

Außerdem seien die nicht beherrschbaren Gefahren der Kernenergiegewinnung mit dem biblischen Auftrag, die Erde zu bebauen und zu bewahren, nicht zu vereinbaren. Die Synode der EKD hatte mehrfach gefordert, so bald wie möglich auf andere Energieträger umzusteigen.

In der Nacht zum Montag hatten sich die Spitzen von Union und FDP auf eine Laufzeitverlängerung um 14 Jahre für neuere Kernkraftwerke - ab Baujahr 1980 - verständigt. Die letzten Meiler dürften damit 2040 oder sogar später abgeschaltet werden. Ältere Anlagen können 8 Jahre länger am Netz bleiben als bisher geplant. Die Atomindustrie soll langfristig bis zu 15 Milliarden Euro für einen Fonds zum Ausbau erneuerbarer Energien beisteuern. Dazu kommt die neue Atomsteuer, die von 2011 bis 2016 pro Jahr 2,3 Milliarden in die Bundeskasse spülen soll.

Die geplante Brennelementesteuer bringt dem Bund nach Angaben der "Berliner Zeitung" (Dienstag) jedoch weniger ein als geplant. Statt mit 2,3 Milliarden Euro pro Jahr könne Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nur mit 1,5 Milliarden Euro rechnen. Bisher habe der Gesetzesentwurf vorgesehen, 220 Euro pro Gramm Uran von den Stromkonzernen zu verlangen. Nun sollten es 145 Euro sein. Das Bundesfinanzministerium räumte nach Angaben des Blattes auf Anfrage diese Verringerung ein. Dennoch bleibe es ­ bei einer isolierten Betrachtung der Brennelementesteuer - bei den 2,3 Milliarden, betonte ein Sprecher. Richtig sei aber, dass die Stromkonzerne diese Zahlungen beim Finanzamt als Betriebskosten absetzen könnten, wodurch die Nettoeinnahmen für den Staat geringer ausfielen.

"4,5 Milliarden Euro Schaden"

Die Stadtwerke erwarten durch die Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke einen Milliardenschaden. Albert Filbert, Chef des Darmstädter Versorgers HSE, sagte dem Blatt, die Auslastung des Kraftwerksparks der Unternehmen sinke durch die längeren AKW-Laufzeiten deutlich. "Den Schaden für kommunale Versorger durch die zwölfjährige Laufzeitverlängerung schätzen wir auf 4,5 Milliarden Euro." Die kommunalen Versorger strebten nun Kompensationszahlungen an, sagte Filbert, der der Stadtwerkevereinigung 8KU vorsteht.

Städtetags-Präsidentin Petra Roth sagte der "Passauer Neuen Presse" (Dienstag): "Die Städte und ihre Unternehmen investieren in großem Umfang in umweltfreundliche Energieerzeugung." Längere Laufzeiten für Atomkraftwerke dürften diese Investitionen nicht gefährden. Deshalb brauchten die Stadtwerke eine Kompensation. "Eine Laufzeitverlängerung ohne Ausgleich verbessert ausschließlich die Wettbewerbsposition der großen Energieversorger." Nach Angaben von Roth rechnen die städtischen Haushalte durch die Brennelementesteuer mit jährlich 300 Millionen Euro weniger Gewerbesteuereinnahmen.

Niedersachsen will Geld

Auch die Länder wollen an den Mehreinnahmen des Bundes aus der Verlängerung der Kernkraft beteiligt werden. Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) sagte in einem Interview mit "Focus Online", der Bund sei bei der Sanierung des maroden Atommülllagers Asse in der Pflicht. "Ich poche darauf, dass die Asse saniert wird. Die Kernkraftbetreiber sind an den Kosten in erheblichem Maße zu beteiligen." Ein Bundesland, das die Lasten der Kernenergie trage, müsse anders behandelt werden.

Umweltminister Röttgen will sich um das Problem der Endlagerung von Atommüll kümmern. In einem Interview der ARD-"Tagesthemen" versicherte er am Montagabend, er sehe sich hier in der Pflicht.

Die deutsche Windindustrie sieht die Laufzeitverlängerung für AKWs und das neue Energiekonzept als "Sargnägel für die erneuerbaren Energien und für die Windkraft". Die Potenziale der Windenergie seien systematisch kleingerechnet worden, um die Laufzeitverlängerungen scheinbar notwendig zu machen, sagte der Chef des Bundesverbands der Windindustrie, Hermann Albers, der "Berliner Zeitung".

epd/dpa