Die Mitgliedschaft im Stiftungsrat solle ruhen und eventuell ganz aufgegeben werden, heißt es in einem Schreiben des Präsidiums des Zentralrats an Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU), das dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Montag in Berlin vorlag. Neumann bedauerte die Entscheidung. Die Grünen sprachen von einer angemessenen Reaktion des Zentralrats. Die Linkspartei sieht die Arbeit der Bundesstiftung in Gefahr. Die Kirchen wollen im Stiftungsrat weiter mitarbeiten und hoffen auf eine Rückkehr der Zentralrats-Vertreter.
Als Grund für seine Entscheidung nannte der Zentralrat die Berufung der beiden Vertriebenen-Funktionäre Arnold Tölg und Hartmut Saenger, die wegen revisionistischer Äußerungen in die Kritik geraten sind. "Ihre Berufung in den Stiftungsrat ist unseres Erachtens mit dem satzungsmäßigen Versöhnungsauftrag der Stiftung nicht vereinbar", schreibt der Zentralrat an Neumann.
Nicht mit Versöhnungsauftrag vereinbar
Über diese Personalentscheidungen sei zwar eine öffentliche Debatte entstanden, aber eine "nennenswerte substanzielle Bewegung oder gar erkennbare Revision dieser Entscheidung" habe es nicht gegeben, heißt es in dem von Generalsekretär Stephan J. Kramer unterzeichneten Brief. Für den Zentralrat der Juden sind dessen Vizepräsident Salomon Korn und die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Berlins, Lala Süsskind, im Rat der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" vertreten.
Kulturstaatsminister Neumann bedauerte die Entscheidung des Zentralrats und erklärte, er halte sie für falsch, obwohl die kritisierten Äußerungen von Tölg und Saenger nicht akzeptabel seien. Die plurale Zusammensetzung des Stiftungsrats sei aber Garant dafür, dass im Geiste der Versöhnung an Flucht und Vertreibung erinnert werden könne. Er habe die Hoffnung, dass der Zentralrat wieder mitarbeiten werde, wenn er von der inhaltlichen Qualität einer Konzeption für die Dokumentationsstätte überzeugt werden könne, für die es in Kürze einen Entwurf geben werde. Der neue Stiftungsrat will am 25. Oktober seine Arbeit aufnehmen.
Kirchen wollen weitermachen
Die Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Petra Bahr, die dem Stiftungsrat angehört, sagte dem epd, die Kirchen seien sich einig, dass sie weiter mitarbeiten wollen. Das Projekt der Erinnerung an Flucht und Vertreibung drohe sonst schon im Vorfeld wegen unglücklicher Personalien steckenzubleiben. Die Mehrheitsverhältnisse im Stiftungsrat seien klar, sagte Bahr: "Revanchistische oder abwegige Positionen werden sich nicht durchsetzen." Sie hoffe, dass der Zentralrat wieder mitarbeiten werde, wenn ein Entwurf für den geplanten Erinnerungsort vorliege.
Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke, der für die katholische Kirche im Stiftungsrat sitzt, sagte dem epd: "Ich bedauere diese Entscheidung des Zentralrates sehr. Ohne die Mitarbeit der Juden ist ein Weg zur Heilung und zur Aufarbeitung der Erinnerung nur schwer möglich."
Dokumentationsstätte geplant
Die Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" soll eine Ausstellung und eine Dokumentationsstätte in Berlin aufbauen, in der die Vertreibung der Deutschen am Ende des Zweiten Weltkriegs im historischen Kontext des Nationalsozialismus dargestellt wird. Nach langem politischen Streit und dem Rückzug der Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach wurden dem Bund der Vertriebenen sechs Sitze im Stiftungsrat zugestanden. In dem Gremium sitzen auch Vertreter der Bundesregierung, der Parteien und der Kirchen. Die Mitglieder wurden von den jeweiligen Institutionen vorgeschlagen und vom Bundestag berufen.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck, forderte die Bundesregierung auf, die Abberufung von Tölg und Saenger einzuleiten. Durch die Berufung der beiden Vertriebenen-Funktionäre habe der Bund der Vertriebenen "leichtfertig und dumm den Versöhnungsauftrag des Projektes verspielt". Die kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Luc Jochimsen, erklärte, wenn die Regierung jetzt nicht handele, bedeute dies das endgültige Aus für die Bundesstiftung. Sie warf Neumann vor, bisher keinerlei Handlungsbedarf gesehen zu haben.