Der Internetexperte Sascha Lobo hat das massenhafte Löschen von Inhalten auf den Internetseiten von ARD und ZDF kritisiert. Die "digitale Öffentlichkeit" sei so der Inhalte beraubt worden, für die sie vorher Gebühren bezahlt habe, sagte Lobo bei der Medienwoche Berlin-Brandenburg am Montag in Berlin.
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender hatten ihre Internetinhalte im vergangenen Jahr dem sogenannten Drei-Stufen-Test unterzogen. Gefordert wurde, dass unter anderem solche Inhalte gelöscht werden, die keinen öffentlichen Mehrwert bieten und die Entwicklung privater Anbieter massiv beeinträchtigen. Die Aufsichtsgremien von ARD und ZDF bestanden in vielen Fällen darauf, dass Inhalte nicht allzu lange vorgehalten werden dürfen.
Der Konzerngeschäftsführer Public Affairs der Axel Springer AG, Christoph Keese, wies die Kritik Lobos zurück. ARD und ZDF bräuchten für ihre Aktivitäten einen öffentlichen Auftrag. Die Sender neigten aber dazu, mit Inhalten Fakten zu schaffen und sich diese anschließend durch die Politik absegnen zu lassen. Dies sei im Fall der Internetinhalte passiert, und daher habe sich Brüssel eingeschaltet. Außerdem kritisierte Keese, dass eine kostenlose "Tagesschau"-App für das iPad "ein falsches Signal" sei. Das Signal müsse sein, dass Qualitätsjournalismus es wert sei, dafür zu bezahlen.
Der Bereichsleiter Medienpolitik der Mediengruppe RTL, Tobias Schmid, sagte, es sei um die Frage gegangen, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk verhindere, dass private Anbieter tätig würden. In einzelnen Fällen wie etwa bei den Angeboten "tagesschau.de" und "boerseARD.de" werde der Privatsenderverband VPRT das Ergebnis des Drei-Stufen-Tests gegebenenfalls juristisch prüfen lassen.
Die Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB), Dagmar Reim, unterstützte Lobos Kritik. Sie sagte, die Löschung öffentlich-rechtlicher Internetinhalte habe "niemandem etwas gebracht". Verleger verdienten "keinen Cent" mehr, nur weil es nun weniger Internetinhalte von ARD und ZDF gebe. Die Internetangebote der öffentlich-rechtlichen Sender bewegten sich am Markt ohnehin "eher in der Nische".
ARD plant Einschnitte im Programm
Andersrum plant die ARD dagegen offenbar Einschnitte in ihrem Programmangebot. Es werde künftig "weniger statt mehr Programm" geben, auch das sagte Reim. Erste Details zu Kürzungen werde es in zwei bis drei Monaten geben. Proteste seien bereits "vorprogrammiert", sagte Reim. Fusionen von ARD-Anstalten schloss die Intendantin aus.
Der ehemalige Chefredakteur des "Spiegels" und Mitinhaber des Nachrichtensenders N24, Stefan Aust, regte an, die Einnahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf dem aktuellen Stand einzufrieren. Je mehr Geld man ARD und ZDF gebe, desto mehr breiteten sich diese aus. Nur durch eine Begrenzung des "Geldzuflusses" sei eine Konzentration der Sender auf ihren Auftrag, Qualität zu produzieren, zu erreichen.
Aust regte zudem an, Verträge, bei denen Fernsehproduzenten alle Rechte verkaufen (Buyout), zu verbieten. Die Produzenten hätten dann die Chance, ihre Inhalte beispielsweise als DVD weiter zu vermarkten und mit den erzielten Erlösen neue Qualitätsinhalte zu produzieren.
Bei der Medienwoche Berlin-Brandenburg diskutieren nationale und internationale Branchenexperten von Montag bis Mittwoch über aktuelle Entwicklungen auf dem Medienmarkt.