Kachelmann-Prozess direkt nach Beginn vertagt
Der mit Spannung erwartete Prozess gegen den Fernsehmoderator Jörg Kachelmann ist am Montag vor dem Landgericht Mannheim kurz nach Beginn vertagt worden.

Die Anwälte des 52-Jährigen hatten Befangenheitsanträge gegen den Vorsitzenden Richter Michael Seidling und die Richterin Daniela Bültmann gestellt. Die Verhandlung soll am nächsten Montag (13. September) fortgesetzt werden. Kachelmann wird beschuldigt, seine langjährige Geliebte mit einem Messer bedroht und vergewaltigt zu haben. Er hat die Vorwürfe stets bestritten. Bei einer Verurteilung drohen dem Schweizer bis zu 15 Jahre Haft.

"Herr Kachelmann hat den Befangenheitsantrag gestellt, weil die Sorge besteht, dass die beiden abgestellten Richterpersönlichkeiten ihm nicht mit der nötigen Unvoreingenommenheit gegenüberstehen", sagte sein Verteidiger Reinhard Birkenstock. Man habe dies bewusst nicht mündlich in der Hauptverhandlung geäußert. Der Grund: "Wir wollten die Richterpersönlichkeiten nicht öffentlich angreifen." Das 67-seitige Ablehnungsgesuch wurde zu Protokoll der Geschäftsstelle des Gerichts gegeben. Vor dem Prozess hatte es Spekulationen gegeben, dass der Vorsitzende Richter privat mit dem Vater des mutmaßlichen Opfers bekannt ist.

Mutmaßliches Opfer erschien vor Gericht

Die 5. Große Strafkammer des Landgerichts wird nun voraussichtlich bis nächsten Montag darüber entscheiden, ob sie den Anträgen stattgibt. Hierbei sind die betroffenen Richter ausgeschlossen. Sie werden durch andere Richter des Landgerichts vertreten, sagte eine Gerichtssprecherin.

Der Befangenheitsantrag gegen gleich zwei Richter war nicht die einzige Überraschung des kurzen Verhandlungstags: Anders als erwartet, erschien das mutmaßliche Opfer in Begleitung seines Anwalts vor Gericht. Die 37 Jahre alte Radiomoderatorin tritt als Nebenklägerin in dem Prozess auf. Ihr Verteidiger Thomas Franz bat vor Prozessbeginn darum, die Persönlichkeitsrechte seiner Mandantin nicht zu verletzen und keine Fotos oder Videos von ihr zu veröffentlichen. Nach bisherigen Planungen soll sie am neunten Verhandlungstag (13. Oktober) aussagen.

Der Prozess hatte am Montag um kurz nach neun Uhr unter großem Medieninteresse und mit starken Sicherheitsvorkehrungen begonnen. Der ganze Straßenblock wurde von der Polizei überwacht. Seit den frühen Morgenstunden warteten mehr als 100 Journalisten, Fotografen und Kamerateams vor dem Landgericht - darunter auch zahlreiche Medienvertreter aus der Schweiz.

Platz für 85 Zuschauer

Der Fernseh-Humorist Oliver Pocher narrte kurz vor Prozessbeginn viele Journalisten: Als Kachelmann verkleidet, setzte er sich mit zahlreichen jungen Frauen vor dem Gerichtsgebäude ins Szene und gab eine Stellungnahme für die Presse ab. Viele hatte ihn zunächst für den echten Kachelmann gehalten. Dieser kam jedoch - unbemerkt von den Fotografen - durch einen Hintereingang ins Gebäude.

Auch viele Zuschauer hofften auf Einlass - jedoch nur 85 von ihnen wurden neben den akkreditierten Medienvertretern ins Gebäude gelassen. Zuschauer und Journalisten mussten sich strengen Sicherheitskontrollen unterziehen. Alle Telefone und technischen Geräte mussten abgegeben werden.

Die eigentliche Verhandlung dauerte keine zehn Minuten. Kachelmann erweiterte zu Prozessbeginn sein Verteidigerteam: Neben dem Kölner Rechtsanwalt Birkenstock wird er nun auch von der Heidelberger Strafverteidigerin Andrea Combé vertreten. Außerdem nahm Kachelmanns Medienanwalt Ralf Höcker auf der Verteidigerbank Platz.

Neben dem mutmaßlichen Opfer sollen vor Gericht 25 Zeugen vernommen werden, darunter laut Staatsanwaltschaft auch "diverse weibliche Zeugen aus dem Umfeld des Angeklagten". Zudem sind fünf Sachverständige geladen. Der letzte planmäßige Termin ist für den 27. Oktober vorgesehen. Dann könnte ein Urteil gegen Kachelmann verkündet werden.

OLG hatte Haftbefehl aufgehoben

Kachelmann war am 20. März bei seiner Rückkehr von den Olympischen Winterspielen in Vancouver am Flughafen Frankfurt verhaftet worden. Nach zwei Tagen war die Nachricht in den Medien. Er entwickelte sich ein umfangreicher "Vor-Prozess": Verschiedene Zeitungen und Magazine berichteten zum Teil sehr detailliert aus Ermittlungsakten und Gutachten.

Nachdem das Landgericht Mannheim den Haftbefehl gegen Kachelmann wiederholt bestätigt hatte, hatte der Moderator schließlich in der nächsthöheren Instanz vor dem Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe Erfolg: Am 29. Juli hob das OLG den Haftbefehl auf. Kachelmann kam nach 132 Tagen aus der Untersuchungshaft frei.

Die Frauenrechtlerin und Journalistin Alice Schwarzer, die für die "Bild"-Zeitung über das Verfahren berichtet, äußerte großen Respekt vor der Entscheidung der ehemaligen Geliebten, vor Gericht zu erscheinen: "Da hat eine gedemütigte Frau ihren Hut in den Ring geworfen", sagte Schwarzer. Sie betonte jedoch: "Wir wissen nicht, ob sie wirklich vergewaltigt wurde oder nicht."

dpa