Vor zehn Jahren veröffentlichte Vatikan "Dominus Iesus"
Vor zehn Jahren knirschte es gewaltig in der Ökumene. Das am 5. September 2000 veröffentlichte Vatikan-Dokument "Dominus Iesus" ist zum Symbol für die Probleme im evangelisch-katholischen Dialog geworden. Darin hatte sich Rom in klaren Worten von den evangelischen Kirchen abgegrenzt. Bei diesen handele es sich nicht um "Kirche im eigentlichen Sinne", so der Kernsatz.
03.09.2010
Von Stephan Cezanne und Rainer Clos

Die Protestanten waren empört. "Die Zeichen aus Rom stehen auf Stillstand", kommentierte die Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) das Dokument. Es sei ein "Rückschlag für das ökumenische Miteinander in versöhnter Verschiedenheit", kritisierte der damalige EKD-Ratsvorsitzende, Präses Manfred Kock.

Die am 6. August 2000 unterzeichnete Erklärung wurde vom damaligen Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger - dem heutigen Papst Benedikt XVI. - formuliert und noch von Papst Johannes Paul II. bestätigt. Der Text fasst Aussagen zum Kern des Glaubens zusammen, die für den Dialog mit nichtchristlichen Religionen und das ökumenische Gespräch von Bedeutung sind. Herausgestellt wird die geschichtliche Kontinuität zwischen der von Christus gestifteten und der katholischen Kirche: "Dies ist die einzige Kirche Christi."

Protesten empfanden Feststellung als Affront

Die römisch-katholische Kirche erhebt darin den Anspruch, dass ihre Lehre mit den Grundaussagen der biblischen Apostel vor rund 2.000 Jahren übereinstimmt. Das tun allerdings alle Kirchen. Für die römisch-katholische Kirche ist Kontinuität vor allem durch die Amtsnachfolge gewährleistet, die von den Bischöfen auf die Apostel und damit letztlich auf Jesus Christus zurückreichen soll. Für Protestanten ist die Verbindung mit den frühen Christen gewährt, wenn Gottes Wort in der Kirche lebendig ist.

Als Affront empfanden die Protestanten die Feststellung: "Die kirchlichen Gemeinschaften hingegen, die den gültigen Episkopat und die ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit des eucharistischen Mysteriums (Abendmahl, d.Red.) nicht bewahrt haben, sind nicht Kirchen im eigentlichen Sinn." Gemeint sind damit in erster Linie die protestantischen Kirchen sowie die anglikanische Kirche, die aus der Reformation im 16. Jahrhundert hervorgegangen sind.

Nachdem es gegen die vatikanische Erklärung Einspruch von namhaften Theologen, von evangelischen und anglikanischen Bischöfen sowie von den Weltbünden der Lutheraner und Reformierten gab, meldete sich Kardinal Ratzinger nochmals zu Wort und verteidigte das Dokument. Der evangelischen Seite warf er vor, sie führe den Streit falsch. Denn den Kirchenbegriff in gleicher Weise für alle kirchlichen Gemeinschaften in Anspruch zu nehmen, würde gegen deren eigenes Selbstverständnis verstoßen: "So beleidigen wir doch niemanden, wenn wir sagen, dass die faktischen evangelischen Kirchtümer nicht im gleichen Sinn Kirche sind, wie die katholische es selbst sein will; sie selber wollen das doch gar nicht."

Katholische Kirche ist die Norm

Doch mit "Dominus Iesus" war es nicht genug. Die Glaubenskongregation legte 2007 nach. Konnte bis dahin die Herabsetzung anderer Kirchen noch als nicht so gemeint interpretiert werden, wurde nun unter Papst Benedikt XVI. in den "Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche" klargestellt: Norm für die einzige vollständige und einzigartige Kirche sei die katholische.

Als "ökumenisch brüskierend" und Rückschlag für das evangelisch-katholische Verhältnis werteten der damalige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber und andere evangelische Bischöfe die Einstufung der reformatorischen Kirchen als "Gemeinschaften". Das Vatikan-Dokument wiederhole die anstößigen Aussagen von "Dominus-Iesus". Huber: "Von Fahrlässigkeit kann niemand mehr sprechen; es handelt sich um Vorsatz." In der Folgezeit war häufiger von einer Abkühlung in den ökumenischen Beziehungen die Rede.

Prominente katholische Bischöfe bemühten sich intensiv, die Empörung auf protestantischer Seite zu mildern. Die Stellungnahme aus Rom sei in ihrer Knappheit möglicherwiese hart, räumte der Mainzer Kardinal Karl Lehmann ein. Aber sie lasse Raum, die anderen Kirchen auch theologisch als Kirchen zu achten. Der vatikanische "Ökumene-Minister", Kardinal Walter Kasper, versuchte zu beschwichtigen: Evangelische Kirchen seien durchaus Kirchen, freilich aber "anderen Typs", argumentierte er. Bei der Zehn-Jahr-Feier der Unterzeichnung der Erklärung zur Rechtfertigungslehre 2009 in Augsburg forderte Kasper die Kirchen auf, gegen alle Enttäuschungen und Querschüsse sich die Hand zu reichen, "und wir lassen uns nicht mehr los".

epd