Forsch, kompetent und schlagfertig - in ihrer wöchentlichen Talkshow nimmt Maybrit Illner kein Blatt vor den Mund und lässt Politikern kaum eine Floskel durchgehen. Jetzt muss die 45-jährige TV-Journalistin beweisen, dass sie auch den sachlich-nüchternen Nachrichtenstil alter Schule beherrscht: Am 4. September gibt sie ihr Debüt als neue Moderatorin des altehrwürdigen ZDF-Flaggschiffs "heute-journal" (22.45 Uhr). Man darf gespannt sein, wie die kecke Berlinerin den Spagat zwischen der frechen Maybrit in der Talkshow und der seriösen Frau Illner im "heute-journal" hinbekommt.
Mit Interviews Akzente setzen
Dass die Wahl als Nachfolgerin von Moderator Steffen Seibert, der vor kurzem die Fronten gewechselt hat und Regierungssprecher geworden ist, auf Maybrit Illner fiel, kam für viele überraschend. Doch nachdem Seibert die Brocken bei "heute" und "heute-journal" hingeschmissen hatte, musste eine schnelle Lösung her, am besten eine aus dem eigenen Hause - da bot sich die profilierte Fernsehjournalistin, die seit Jahren mit ihrer Talkshow "Maybrit Illner" erfolgreich ist, geradezu an.
Außerdem ist ZDF-Chefredakteur Peter Frey anders als sein Vorgänger Nikolaus Brender bekanntermaßen ein erklärter Fan der aus Ostberlin stammenden Journalistin - er war es, der sie 1992 als damaliger Leiter des "ZDF-Morgenmagazins" zum Frühstücksfernsehen geholt hatte, trotz erheblicher Bedenken im Sender gegenüber dem einstigen SED-Mitglied Illner. Frey hofft, dass die frischgebackene "heute-journal"-Moderatorin in Mainz "vor allem mit ihren Interviews Akzente setzen" wird. "Den ein oder anderen Politiker kenne ich dann schon aus unserer Berliner Sendung", ergänzt die 45-Jährige mit Blick auf ihre Erfahrung aus elf Jahren Talkshow "Maybrit Illner".
Klaviatur des politischen TV-Journalismus
Klar ist: Die neue Aufgabe in Mainz ist für Illner mit erheblichem Stress verbunden, immerhin will sie das "heute-journal" 40 Mal im Jahr moderieren und außerdem nach wie vor donnerstagabends in ihrer in Berlin produzierten Talkshow eine gute Figur abgeben. Den genauen Dienstplan hat sie mit den beiden anderen Moderatoren des "heute-journals" bereits ausgeheckt: "Wir haben - Marietta Slomka, Claus Kleber und ich - über den Plänen gehockt und hatten nach einer Stunde wirklich eine tolle, praktikable Lösung." Für ihren Mann, den Telekom-Boss René Obermann, den sie vor kurzem geheiratet hat und mit dem sie in der Hauptstadt lebt, dürfte sie künftig noch weniger Zeit haben als bisher.
Klar ist aber auch, dass die Berufung zur "heute-journal"-Moderatorin für Maybrit Illner eine einmalige Chance ist. Die bisweilen etwas schnippische TV-Lady ist mit zwei prominenten Sendungen künftig im Fernsehen nicht nur präsenter als etwa ihre ARD-Talk-Konkurrenten Anne Will oder Frank Plasberg, sie kann in den verschiedenen Sendeformaten auch auf der ganzen Klaviatur des politischen TV-Journalismus spielen. An Selbstvertrauen, diese Herausforderung zu meistern, mangelt es der Frau mit der Vorliebe für Hosenanzüge nicht, immerhin kann sie auf eine steile Karriere zurückblicken.
Portrait der neuen "heute-journal"-Moderatorin
Nach dem Studium der Journalistik in Leipzig machte sie ihre ersten Berufserfahrungen Ende der achtziger Jahre noch beim Fernsehen der DDR, 1992 kam sie zum "ZDF-Morgenmagazin". 1999 startete sie im Zweiten ihre eigene Talkshow, die zunächst "Berlin Mitte" hieß, den Gepflogenheiten der TV-Branche gemäß später in "Maybrit Illner" umbenannt wurde und die seit mehr als zehn Jahren zu den wichtigsten Politsendungen im deutschen Fernsehen zählt. Außerdem durfte Illner bei allen Fernsehduellen zur Bundestagswahl seit 2002 mit an den Moderationstisch.
Privat lief dagegen nicht alles rund für die kinderlose Fernsehjournalistin: Ihre erste Ehe mit dem Drehbuchautor Michael Illner scheiterte nach 19 Jahren. Seit 2007 ist sie mit Telekom-Chef René Obermann liiert, den sie in ihrer Sendung kennen gelernt hatte, Mitte August heiratete sie den zwei Jahre älteren Topmanager - fernab vom Licht der öffentlichen Scheinwerfer, in das sie sich als Privatperson nur ungern begibt.
Martin Weber ist freier Journalist in Berlin