"Stuttgart 21": Rot-Grün im Südwesten vorn
Baden-Württembergs Ministerpräsident Mappus steckt in der Klemme. Die verbreitete Enttäuschung über Schwarz-Gelb im Bund und der massive Protest gegen das Bahnprojekt "Stuttgart 21" drohen CDU und FDP die Landtagswahl im kommenden Frühjahr zu verhageln.
02.09.2010
Von Henning Otte und Oliver Schmale

Wenn am kommenden Sonntag gewählt würde, hätten SPD und Grüne die Mehrheit. Rot-Grün käme laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag des "Stern" auf 48 Prozent, die schwarz-gelbe Koalition von Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) nur auf 43 Prozent. Der Protest gegen das Milliardenprojekt ging unterdessen weiter. Außerdem denkt der Bund aus Spargründen darüber nach, seinen Teil an der Finanzierung der geplanten Neubautrasse nach Ulm zu reduzieren.

Sensationell ist das Ergebnis der Erhebung für die Grünen, die auf 24 Prozent kommen. Das ist laut Umfrageinstitut Forsa der beste Wert, der jemals für die Ökopartei in einem Flächenland gemessen wurde. Die Schwäche der Regierungsparteien und die Stärke der Grünen könnten auch an dem Konflikt um das Bahnprojekt "Stuttgart 21" liegen. Über die Hälfte der Baden-Württemberger lehnt das Vorhaben im Einklang mit den Grünen ab und fast jeder dritte Befragte sagt, das Projekt sei für ihn wahlentscheidend.

Rund 2.000 Gegner des Projekts demonstrierten vor dem Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs. Es kam zu Rangeleien. Zuvor hatten nach Polizeiangaben rund 1.500 Menschen vor dem Amtssitz von Mappus ihrem Unmut Luft gemacht und einen Stopp der Bauarbeiten gefordert.

CDU-Generalsekretär Thomas Strobl sieht in der aktuellen Umfrage ein "Warnsignal". CDU und FDP im Land stehen aber zu dem Projekt, ebenso wie Bundesverkehrsminister Peter Raumsauer (CSU). "Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein solches Projekt abgeblasen wird", sagte Ramsauer in Berlin. Die Südwest-SPD sieht eine reelle Chance, das seit 1996 regierende schwarz-gelbe Bündnis bei der Wahl am 27. März 2011 abzulösen.

Die CDU von Landeschef Mappus käme nur auf 37 Prozent - bei der Wahl 2006 hatte sie noch 44,2 Prozent geholt. Die Liberalen müssten sich mit 6 Prozent begnügen - 2006 hatten sie noch 10,7 Prozent erhalten. Die Grünen liegen mit 24 Prozent gleichauf mit der SPD und erhielten damit mehr als doppelt so viele Stimmen als bei der Wahl im März 2006. Damals waren es 11,7 Prozent.

Die SPD profitiert dagegen nicht von der Schwäche der Regierung: Die Genossen erreichen 24 Prozent und liegen somit noch unter den mageren 25,2 Prozent von 2006. Auch die SPD leidet darunter, dass ihre Parteispitze Stuttgart21 befürwortet. Die Linke würde mit 4 Prozent den Sprung in den Landtag verpassen.

Die Haltung der Baden-Württemberger zu Stuttgart21 ist relativ deutlich: Auf die Frage von Forsa, ob sie für das Großprojekt seien, antworteten 51 Prozent mit "Nein" und nur 26 Prozent mit "Ja", 23 Prozent waren unentschieden. Bei dem 4,1 Milliarden Euro teuren Projekt Stuttgart21 soll der Kopfbahnhof in eine unterirdische Durchgangsstation umgewandelt und an die künftige Schnellbahntrasse nach Ulm angeschlossen werden.

Die 2,9 Milliarden Euro teure Neubaustrecke sorgt ebenfalls für Zündstoff. Der Bund will eventuell wieder über das Finanzierungspaket reden. Das Bundesverkehrsministerium schließt nun doch eine höhere Kostenbeteiligung des Landes und der Bahn nicht grundsätzlich aus. "Wir prüfen die Kostenplanungen und sind mit allen Beteiligten in enger Abstimmung, um die Finanzierung auch unter den Gegebenheiten der aktuellen Kostenschätzungen sicherzustellen", sagte ein Sprecher in Berlin. Zuvor hatte aber dass Stuttgarter Verkehrsministerium dies verneint. "Es gibt keine Gespräche zwischen Land und Bund", sagte ein Sprecher. Man gehe davon aus, dass der Bund sich an den bestehenden Vertrag halte.

dpa