Wer mal die Grippe hat oder den Blinddarm entzündet, der braucht keinen Kontakt mit seiner Krankenkasse. Aber wenn jemand pflegebedürftig wird, dann besteht Beratungsbedarf. Zwei Drittel aller Bundesbürger kennen das Recht auf "individuelle Pflegeberatung" nicht, fand vor einigen Monaten das Forsa-Institut im Auftrag der Pflegeberatung der privaten Krankenversicherungen heraus.
Keine optimale Beratung per Mail oder Internet
Und wie gut ist die Beratung? Spero, Community-Mitglied bei evangelisch.de, berichtete: "Ich schlage mich damit herum, dass mir in meiner Pflegestufe zwar Hilfsmittel angeboten werden, die ich noch nicht brauche, aber weit und breit kein Mensch zu finden ist, der mir beim Duschen hilft. Und wenn ich frage, wer die Hilfskräfte bezahlt, höre ich die verschiedensten Möglichkeiten. Wahrscheinlich von meinem Pflegegeld, das ohnehin schon zum großen Teil für die Putzfrau draufgeht. Und mit der Bürokratie wird es auch immer schlimmer. Ich weiß gar nicht mehr, wo ich welchen Antrag und weshalb hinschicken soll. Mein Mann hat schon das Handtuch geschmissen ... Papierkrieg hoch drei."
Für sie besonders schwierig ist, dass sie alles schriftlich klären muss, weil ihre schwere Muskellähmung ihr die Stimme geraubt hat. "Ich höre immer: Rufen Sie uns doch an, wir haben eine Hotline und sind immer für sie da. Mein schriftlicher Hinweis, dass mir die Sprache fehlt, wird einfach ignoriert. So was ist nicht vorgesehen .Und mit dem Internet klappt es auch nicht."
Ist das ein Einzelfall? Nein, speros Erfahrungen werden von dem neuesten Krankenkassen-Test der Stiftung Warentest bestätigt. Wer in erster Linie per Mail kommuniziert, "riskiert, nicht optimal beraten zu werden", so einer der vier zentralen Tipps aus der Zeitschrift "Finanztest". Und die Qualität der Infos im Internet? Sie wurden – in einem Punkt zusammengefasst - beispielhaft bei Raucherentwöhnung und häuslicher Pflege getestet. Ergebnis: bei der AOK sehr gut, bei der DAK gut, aber bei anderen gab es mehrfach ein "mangelhaft". Besonders schlecht für Pflegebedürftige: Hinweise auf weiterführende Angebote wurden selten gegeben. In dem Punkt erhielten selbst die Testsieger nur "ausreichend" oder "mangelhaft". Etwa der Urlaub von der Pflege wird wohl kaum direkt von einer Kassen-Hotline empfohlen.
Pflegestützpunkte: Was wird aus der Beratung?
Darüber hinaus brauchen die Betroffenen umfassenden Rat, nicht nur über die Pflegeversicherung, sondern auch über Angebote aus der Altenhilfe der Kommunen. Dafür werden seit zwei Jahren "Pflegestützpunkte" errichtet. Dieter Langen, Experte für Senioren und Pflege im Bundesverband der Verbraucherzentralen, hat das Thema von Anfang an engagiert verfolgt und ist skeptisch. Er rechnet vor: Möglichst wohnortnah sollten die Pflegestützpunkte sein – im Referentenentwurf des Gesundheitsministeriums habe man noch von einem Stützpunkt auf 20.000 Einwohner lesen können – und es gebe bis zu 45.000 Euro Anschubfinanzierung vom Bund. Auf 80 Millionen Einwohner umgerechnet bräuchte man also etwa 4.000 Stützpunkte, für die bis 180 Millionen Euro fließen müssten. Es waren aber von der Großen Koalition nur insgesamt 60 Millionen Euro eingeplant, und Minister Rösler will laut Koalitionsvertrag die Förderung nicht etwa erhöhen, sondern planmäßig Mitte 2011 auslaufen lassen.
Was wird aus der Beratung? Dieter Langen beobachtet: "Bei den Kassen rutscht im Moment das Thema weit nach hinten." Immerhin werde die Stiftung Warentest als nächstes die Pflegestützpunkte unter die Lupe nehmen und ihn in den Fachbeirat berufen. Er hat besonders die Unabhängigkeit der Beratung im Blick: Wird die beste oder die billigste Lösung empfohlen? Auch das Kuratorium Deutscher Altershilfe, das die Aufbauphase an Hand von 16 Pilotstützpunkten auswertet, wird bald wieder Bericht erstatten.
Spero hat mittlerweile zu ihrer Zufriedenheit den direkten Weg beschritten, nämlich, sich bei einem Anbieter zu erkundigen. "Meine Tochter hat eine Pflegestation des DRK ausfindig gemacht, und eine Schwester hat uns gründlich beraten. Jedenfalls finden wir erstmal Hilfe."