"Amerika zahlt hohen Preis": Obama zieht Irak-Bilanz
Barack Obama beendet den Irakkrieg. Nach sieben Jahren kommen die Kampftruppen nach Hause. Doch statt Siegesfeiern betont der Präsident die flaue Konjunktur und die hohen Schulden im eigenen Land. Das Problem: Nur ein wirtschaftlich starkes Amerika kann führen.
01.09.2010
Von Peer Meinert und Marco Mierke

Von Siegesfeier keine Spur. Selten wirkte Barack Obama derart ernst und angespannt. Nach siebeneinhalb Jahren erklärte der US-Präsident offiziell die Kampfeinsätze der US-Truppen im Irak für beendet. Doch bei seiner Rede an die Nation macht Obama ohne Wenn und Aber klar: Amerika hat einen hohen Preis bezahlt für den Krieg. Nicht nur über 4.000 Gefallene und 32.000 Verwundete hat das Land zu beklagen - auch finanziell und wirtschaftlich hat er Amerika schwer zugesetzt.

"Wir haben mehr als eine Billion Dollar im Krieg ausgegeben, häufig finanziert mit geliehenem Geld aus dem Ausland. Das hat Investitionen in unsere eigene Bevölkerung verknappt und zu Rekordschulden beigetragen." Selten zuvor hat Obama das ganze Ausmaß der Kriegskosten seinen Landsleuten derart ungeschminkt vor Augen geführt.

In der Dekade des Krieges habe das Land notwendige Investitionen versäumt. Dies müsse nachgeholt werden. "Wir müssen der Industrie, die Arbeitsplätze schafft, Starthilfe geben und unsere Abhängigkeit von ausländischem Öl beenden".

Das klingt fast so, als wolle Obama einen Schuldigen suchen für die derzeit flaue Konjunktur. Und für die Tatsache, dass sein Konjunkturprogramm die gewünschte Wirkung nach Meinung vieler bislang verfehlt hat. Zwei Monate vor den wichtigen Kongresswahlen: Steht Obamas Rede an die Nation bereits im Zeichen des Wahlkampfs?

"Heute Abend erkläre ich, dass die amerikanische Kampfmission im Irak beendet ist", sagte Obama. "Diesen Krieg zu beenden, ist nicht nur im Interesse des Iraks - es ist auch in unserem Interesse."

Lediglich einen kleinen Triumph konnte sich Obama nicht versagen: Er betonte, dass er von Beginn an gegen den Krieg war. Dass es einer seiner Hauptwahlkampfversprechen war, diesen "dummen Krieg" (so sagte er damals) möglichst schnell zu beenden. Es sei einer der längsten Kriege der USA gewesen.

Nach Angaben des Pentagons wurden 4.418 US-Soldaten getötet, etwa 32.000 seien verwundet worden. Mindestens 9.500 irakische Soldaten und Polizisten kamen ums Leben. Mehr als 112.600 irakische Zivilisten wurden getötet.

Obama räumte ein, dass es nach wie vor Gewalt im Irak gebe. Auch der Kampf gegen Al-Kaida gehe weiter. Daher würden die USA dem Irak weiter beistehen. "Unsere Kampfmission geht zu Ende, nicht aber unsere Verpflichtung für die Zukunft des Iraks." Daher bleiben rund 50.000 US-Soldaten weiter im Land, um irakische Sicherheitskräfte auszubilden und bei Anti-Terror-Einsätzen zu unterstützen. Sie sollen bis Ende 2011 abziehen.

Zugleich machte Obama klar, dass er an dem Abzugstermin aus Afghanistan festhalte. Dort sollten die US-Truppen sich ab Juli 2011 zurückziehen. Die Geschwindigkeit des Abzugs werde allerdings von den Verhältnissen in dem Land abhängen. Er appellierte aber auch an die eigene Verantwortung. "Wir können nicht für die Afghanen tun, was sie am Ende für sich selbst machen müssen." Ein Krieg ohne Enddatum sei weder im Interesse des afghanischen Volkes noch im Interesse der USA.

Bereits vor seiner Rede hatte Obama deutlich gemacht, dass es keinerlei Siegesfeiern geben wird. "Wir werden nicht in Eigenlob verfallen", sagte er kurz vor seiner Rede bei einem Truppenbesuch. Unter allen Umständen wollte das Weiße Haus den Eindruck vermeiden, den sein Vorgänger George W. Bush 2003 hinterlassen hatte: Damals war Bush an Bord des Flugzeugträgers "Abraham Lincoln" vor einem Banner mit den Worten "Mission accomplished" (Mission erfüllt) aufgetreten. Wenig später fiel das Land in Chaos und Terror.

Die USA hatten den Krieg im März 2003 ohne UN-Mandat begonnen. Mehrere europäische Verbündete - darunter Deutschland und Frankreich - waren strikt dagegen. In der ganzen Welt gab es damals Proteste.

Offizielle Begründung für die Invasion der Verbündeten - neben den USA vor allem Großbritannien - war die Behauptung Washingtons, dass der Irak im Besitz von Massenvernichtungswaffen sei. Diese Waffen wurden allerdings später nicht gefunden. Zugleich machten die USA aber auch klar, das ihr Ziel auch ein "Regimewechsel" in Bagdad sei - sie wollten die Herrschaft von Machthaber Saddam Hussein beenden.

Allerdings nimmt die Gewalt im Irak wieder deutlich zu: In der vergangen Woche kamen bei einer Terrorwelle über 70 Menschen ums Leben. Hinzu kommt politische Instabilität: Auch rund ein halbes Jahr nach der Parlamentswahl im März konnten sich die Verantwortlichen immer noch nicht auf eine neue Regierung einigen.

dpa