Die Deutschen müssten international für das kämpfen, was ihnen selbst gelungen sei, sagte sie bei einem Festakt 20 Jahre nach der Unterzeichnung des Einigungsvertrages in Berlin. "Wenn wir darin erlahmen, werden wir auch in unserem Wohlstand und Erfolg erlahmen."
Die Menschen in Ost und Westen stünden dabei vor einer gesamtdeutschen Aufgabe, sagte Merkel. "Der Einigungsvertrag sollte uns gutes Beispiel sein für weitere Verträge, die auf der Welt zu schließen sind."
Westdeutsche sind nicht unbedingt zufrieden
Merkel räumte ein, es habe zu lange gedauert, bis an das Unrecht, das den Menschen in der DDR widerfahren sei, gedacht worden sei. Als Beispiele nannte sie die Rentenregelung und die Opferpensionen. 20 Jahre nach der Wiedervereinigung sei aber "vieles wunderbar" im Land. Die Arbeitsmarktzahlen lägen heute auf dem Niveau wie direkt nach der Vereinigung. Außerdem sei die durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen in den neuen Ländern deutlich gestiegen.
Jeder dritte Westdeutsche empfindet aber für sich durch die Einheit mehr Verlust als Gewinn. Elf Prozent hätten am liebsten die Mauer wieder, hat der "Sozialreport 2010" herausgefunden. 42 Prozent der Bürger im Osten stellen für sich einen Gewinn durch die Einheit fest, im Westen sind es 37 Prozent.
Merkel lobte den Mut der Ostdeutschen bei der Wiedervereinigung. "Der Mut war damals viel größer, als wir uns das heute vorstellen." Besonders hob sie die Bürgerrechtler und jene Menschen hervor, die aus der DDR geflüchtet waren. Damals habe "die Demokratie in einem unglaublichen Maße gesiegt".
Merkel: Viel über Struktur gelernt
Die aus der damaligen DDR stammende Merkel sagte, als Sprecherin der ersten frei gewählten DDR-Regierung unter Ministerpräsident Lothar de Maizière (CDU) habe sie viel über die innere Struktur der alten Bundesrepublik gelernt. Es sei damals "nicht nur ein Stück Einigungskunde» gewesen, "sondern auch ein Stück Geschichtskunde der alten Bundesrepublik".
Innenminister Thomas de Maizière (CDU) räumte im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung einzelne Fehleinschätzungen ein und kritisierte die geringe Änderungsbereitschaft im Westen des Landes. Deutschland hätte von der DDR "ruhig ein bisschen mehr übernehmen können als das Ampelmännchen oder den grünen Pfeil". Grundsätzlich sei der Einigungsvertrag aber ein Meisterwerk von Politik und Verwaltung.
Bei der Entscheidung, das gesamte westdeutsche Rechtssystem sofort auf das "Beitrittsgebiet" zu übertragen, sei eine Chance für die Erneuerung ganz Deutschlands verpasst worden, sagte de Maizière. Und dass die Bildungsabschlüsse der DDR nicht in ganz Deutschland anerkannt worden seien, "missachtete die Lebensleistung vieler DDR-Bürger".
Wenige Wochen für Verhandlungen
1990 waren in nur wenigen Wochen die Grundlagen der deutschen Einheit ausgehandelt worden. Am 31. August 1990 unterzeichneten die Verhandlungsführer der beiden deutschen Staaten, der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und DDR-Staatssekretär Günther Krause, im Kronprinzenpalais den Vertrag, der samt Anlagen auf mehr als 1000 Seiten die Vereinigung bis ins Detail regelte. Damit war die entscheidende Voraussetzung für den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik am 3. Oktober 1990 geschaffen.
FDP-Chef und Vizekanzler Guido Westerwelle forderte mehr direkte Bürgerbeteiligung. "Ich glaube, dass wir auch auf Bundesebene breite Teile der Bevölkerung stärker mit Volksinitiative und ähnlichem mehr einbinden könnten", sagte er der "Leipziger Volkszeitung". Jedoch fehlten für die Umsetzung solcher Vorschläge derzeit die nötigen Mehrheiten im Bundestag.
Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) verteidigte seine umstrittenen Äußerungen im "Spiegel" zum "Anschluss" der DDR durch die Bundesrepublik 1990. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe forderte Platzeck auf, er müsse "sich schleunigst korrigieren". Er spiele Ost und West gegeneinander aus.