TV-Tipp des Tages: "Trau niemals Deinem Chef" (ZDF)
Es hätte ein perfekter Tag werden können für Vertriebsleiter Oskar Moedebeck. Sonnenschein, Geburtstag, Beförderung, Gehaltserhöhung: Was will man mehr. Doch das Konzept geht nicht auf.
31.08.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Trau niemals Deinem Chef", 6. September, 20.15 Uhr im Zweiten

Gattin Mona wäre zufrieden gewesen, weil sie nun garantiert genug Geld für die Renovierung ihres geerbten Traumhauses gehabt hätte; und auch Perfektionist Oskar hätte gewiss große Befriedigung verspürt, denn er hasst Überraschungen. Aber schon gleich zu Beginn wird sein Konzept empfindlich aus dem Gleichgewicht gebracht, dann wird er beinahe vom neuen Nachbarn überfahren, und in der Firma endet der Vormittag endgültig im Schlamassel: keine Gehaltserhöhung, keine Beförderung, er wird im Gegenteil zum Vertriebsassistenten herabgestuft; und Oskars neuer Chef ist Raphael Blum, der schnöselige junge neue Nachbar.

Die konsequente Demontage des Kleinbürgers mit den großen Prinzipien ist aus seiner Sicht eine ausgemachte Tragödie; und daher der perfekte Stoff für eine Komödie. Ulrich Noethen bedient beide Genres perfekt, weil er auch komische Figuren stets mit großem Ernst verkörpert. Somit ist er eigentlich eine ausgezeichnete Besetzung für den bemitleidenswerten Oskar, der sich nicht traut, Gattin Mona (Michaela May) die Wahrheit zu sagen, weil sie doch so glücklich über ihr zukünftiges Heim ist; und der ebenso hilflos wie empört mit ansehen muss, wie sich seine Tochter (Jasmin Schwiers) heftig in Raphael Blum (Max von Thun) verliebt. Anders als sonst aber ruht der großartige Schauspieler hier nicht im Auge des Sturms, sein Oskar löst die Turbulenzen sogar erst aus.

Noethens großer körperlicher und mimischer Aufwand erinnert mitunter an einen Kinderfilm, ebenfalls ein Genre, in dem er viel Erfahrung hat („Bibi Blocksberg“, „Das Sams“); aber dort hat er deutlich weniger rumgezappelt und grimassiert. Das ist in diesem Fall zwar manchmal durchaus komisch, wirkt mitunter aber auch etwas übertrieben. Möglicherweise eine Frage der Regie; Marcus Ulbricht hat zwar schon haufenweise Serienfolgen inszeniert („Küstenwache“, „Sternenfänger“, diverse Sokos), aber kaum Filmerfahrung. Deutlich mehr Tempo hätte der fast altmodisch wirkenden Inszenierung ohnehin nicht geschadet. Vielleicht ist die gelegentlich irritierende Unentschiedenheit des Films zwischen subtiler Süffisanz und vordergründiger Pointenhascherei aber auch auf die Metamorphose des Drehbuchs zurückzuführen: Die ursprüngliche Version von Verena Mahlow wurde von Wiebke Jaspersen (zuletzt „Küss dich reich“) überarbeitet.

Sehenswert und unterhaltsam ist „Trau niemals Deinem Chef“ dennoch, zumal die Geschichte einige unerwartete Wendungen nimmt und Max von Thun gerade im Gegensatz zum vergleichsweise hyperaktiven Noethen mit angenehmer Zurückhaltung agiert. Hat man einmal akzeptiert, dass Noethen den Angestellten als Karikatur verkörpert, bekommt die Figur ohnehin eine andere Fallhöhe. Der Film hat zudem eine durchaus sozialsatirische Seite, weil in Oskars Betrieb nach der Übernahme durch einen Großkonzern ein völlig anderer Wind weht und Blum in seiner Not ausgerechnet den Vorgänger um Unterstützung bittet. Um so größer ist seine Empörung, als er glauben muss, dass der vermeintliche Partner sein revolutionäres Konzept an die Konkurrenz verschachert hat.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).