TV-Tipp des Tages: "Tatort: Am Ende des Tages" (ARD)
Ausgerechnet am Tag seiner Verabschiedung erlebt Rudi Fromm, der Leiter der Mordkommission, seine schwersten Stunden, als vor seinen Augen seine Geliebte hingerichtet wird.
31.08.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Tatort: Am Ende des Tages", 5. September, 20.15 Uhr im Ersten

In die Spitzengruppe der uneingeschränkten Sympathieträger hat es das Frankfurter „Tatort“-Duo Dellwo/Sänger nie geschafft, aber das sollten und wollte sie wohl auch gar nicht. Trotzdem gehören einige dieser 18 Krimis des Hessischen Rundfunks zum Besten, was die Sonntagsreihe bislang hervorgebracht hat, angefangen bei Niki Steins famoser Auftakttrilogie über die Grimme-preisgekrönte Episode „Herzversagen“ bis hin zum vorletzten Film „Weil sie böse sind“, der erneut den Rahmen des Sendeplatzes sprengte.

Der letzte Fall musste natürlich gleichfalls ein besonderes Werk werden. Der HR hat zu diesem Zweck Titus Selge engagiert, der für den Sender schon einige großartige „Polizeiruf“-Folgen geschrieben und inszeniert hat. Der für die Bad Homburger Geschichten so typische schräge Humor und die Lust am Spiel mit den Konventionen blitzt hier allerdings nur gelegentlich auf, etwa wann Selge sein Publikum mit unerwarteten Anschlüssen neckt. Comedy-Elemente wären angesichts der grimmigen Handlung allerdings auch eher unpassend gewesen:. Ausgerechnet am Tag seiner Verabschiedung erlebt Rudi Fromm (Peter Lerchbaumer), der Leiter der Mordkommission, seine schwersten Stunden, als vor seinen Augen seine Geliebte hingerichtet wird. Und weil der Killer dafür die Waffe des Polizisten benutzt hat, müssen Fritz Dellwo (Jörg Schüttauf) und Charlotte Sänger (Andrea Sawatzki) nun gegen den eigenen Chef ermitteln. Dessen Unschuld steht zwar gerade für Dellwo außer Frage, aber natürlich soll nicht mal der Hauch eines Verdachts aufkommen, die Polizei drücke ein Auge zu, wenn es um einen der Ihren geht. Als die beiden rausfinden, wer hinter dem Mord steckt, ahnen sie, dass es nicht bei der einen Tat bleiben wird: Offenbar will sich ein Verbrecher an Fromm rächen. Der hatte als junger Polizist ein Pärchen gejagt, das bei seinen Banküberfällen über Leichen ging. Fromm hat damals die schwangere Frau erschossen; er selbst hat auch eine Tochter.

Selge inszeniert den selbst bis hin zu winzigen Nebenrollen (Jördis Triebel, Rolf Becker, Michael Lott) namhaft besetzten Film angenehm lakonisch; oft sagt er mit einem Schnitt mehr als andere mit tausend Worten. Und gelegentlich darf gerade Schüttauf die düstere Geschichte mit ein bisschen Ironie würzen. Für Kurzweil sorgen zudem Szenen wie jene, in der Dellwo just dann vor der Tür eine Zigarette rauchen will, als der Mörder vorbeigeht. Auch die Berufsmüdigkeit der Ermittler wird beiläufig erwähnt, wenn Dellwo gesteht, er habe keine Lust mehr auf „Hände hoch, Waffe weg, wo waren Sie denn am Donnerstag?“ Selbst beim „Showdown“ mitten in der Stadt verblüfft Selge noch mit einem As, das er aus dem Ärmel holt.

Gemessen am Tempo des üblichen Sonntagskrimis mag der Film mitunter etwas zäh wirken, und auch die von einem Tango-Akkordeon geprägte Musik (KAB Fischer) ist vielleicht nicht jedermanns Sache; aber das wollten die Krimis mit Dellwo und Sänger ohnehin nie sein.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).