TV-Tipp: "Alarm für Cobra 11: Der Anschlag" (RTL)
Ein eiskalter Gangster-Boss, der sinnigerweise Frost heißt, entführt den Sohn einer Wissenschaftlerin und erpresst sie auf diese Weise dazu, ihm ihre Erfindung zu überlassen: eine völlig neuartige Form der Energiegewinnung.
27.08.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Alarm für Cobra 11: Der Anschlag", 2. September, 20.15 Uhr auf RTL

Es gibt ja eine Menge Schrott im Fernsehen, aber niemand produziert Blechschäden mit so viel Hingabe wie Hermann Joha. Für den Pilotfilm zur 17. Staffel der Erfolgsserie „Alarm für Cobra 11 – Die Autobahnpolizei“ hat sich Johas Firma action concept wieder selbst übertroffen: Derart sauber choreografierte Auto-Stunts sieht man dieser Häufigkeit nur im Hollywood-Film; und dort oft nicht mal mit so viel Liebe zum Detail. Man mag das nicht für Fernsehkunst halten, aber nachmachen kann das Joha hierzulande so schnell niemand. Mitunter ist es etwas übertrieben, wenn sich ein Auto öfter überschlägt, als man mitzählen kann, oder wenn Benzinfässer gleich dutzendfach in die Luft fliegen, so dass am Ende schließlich auch noch ein Hubschrauber explodiert. Aber die Übertreibung hat Methode, schließlich liefern sich Gangster und Polizei im Auftakt zur neuen Staffel („Der Anschlag“, Regie: Heinz Dietz) auch Feuergefechte, dass die Rohre glühen. Wenn der Begriff nicht völlig andere Assoziationen weckte würde und daher etwas deplatziert wäre, käme als Genre-Definition für „Cobra 11“ eigentlich nur Action-Märchen infrage.

Auch die Geschichte ist mehr als bloß eine Nummer größer als andere Krimis. Ein eiskalter Gangster-Boss, der sinnigerweise Frost heißt, entführt den Sohn einer Wissenschaftlerin und erpresst sie auf diese Weise dazu, ihm ihre Erfindung zu überlassen: eine völlig neuartige Form der Energiegewinnung. In den Händen des Verbrechers wird das Gerät zu einer Bombe, mit der er auf einen Schlag sämtliche Wirtschaftsführer der Welt ermorden will.

Vermutlich ist es Aleksandar Jovanovic längst leid, immer wieder solche Schurken verkörpern zu müssen, aber er ist die perfekte Besetzung für den zynischen Gangster. Tom Beck und Erdogan Atalay von der Autobahnpolizei leiden dagegen etwas darunter, dass sich kein „Cobra 11“-Fan die Serie wegen der Dialoge anschaut (Buch: Arne Nolting, Martin Scharf). Zum Ausgleich darf sich Beck nette Verbalscharmützel mit einer Grundschul-Referendarin liefern, die sich als Personenschützerin entpuppt: Eigentlich soll Silke (Wolke Hegenbarth) auf den kleinen Lutz aufpassen, aber dann entführt der finstere Gegenspieler die halbe Schulklasse.

Natürlich stellen die diversen Verfolgungsjagden die Höhepunkte des neunzigminütigen Films dar. Schon gleich zu Beginn fragt man sich, wie die Regisseure der Action-Szenen (Stefan Richter und Joha selbst) den Auftakt noch steigern wollen: Frosts Schergen halten die Verfolger auf Abstand, indem sie einen Autolaster kapern und die Ladung als Hindernis missbrauchen; plötzlich schießen zwei Stretch-Limousinen auf das Polizeiauto zu. Mitten hinein in die Spannung platzt ein Anruf und mit ihm die Comedy-Ebene des Films: Wie schon im vorigen Jahr gibt Oliver Pocher als Weltverbesserer den Pausenclown der Geschichte. Der Erzählstrang ist allerdings kein bisschen komisch und wirkt wie ein Fremdkörper. Aber Pochers Auftritte sind zum Glück nur kurz, dann wird wieder geballert, was das Zeug hält.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).