"In Liebe eine Eins", 31. August, 20.15 Uhr auf 3sat
Der Titel ist glatter Unfug. „In Liebe eine Eins“: Das klingt in seiner Fünfziger-Jahre-Fröhlichkeit nach einer romantischen ARD-Freitagskomödie. Doch der Schein trügt: Das Drama erzählt die zu Herzen gehende Geschichte einer Mutter, die angeblich nicht intelligent genug ist, um ihr Kind zu erziehen.
Das Handlungsmuster erinnert stark an den Film „In Sachen Kaminski“. Hier wie dort bemühen sich geistig leicht zurückgebliebene, aber herzensgute Eltern erfolgreich, ihren Kindern ein liebevolles Zuhause zu bieten. Der Feind ist in beiden Fällen das Jugendamt, das erst das „Aufenthaltsbestimmungsrecht“ übernimmt und die Kinder dann in eine Pflegefamilie gibt, wo ihnen zwar ein intellektuell anregendes Umfeld geboten wird, sie aber emotional verkümmern. Aufrechte Juristen erkämpfen schließlich das Sorgerecht für die leiblichen Eltern zurück.
Die Unterschiede zwischen beiden Filmen liegen im Detail. In diesem Fall spielt Anna Loos die alleinerziehende Mutter, die weder lesen und schreiben noch rechnen kann. Der Lehrerin ihres Sohnes fällt auf, dass der Junge bei den Hausaufgaben offenbar keine Hilfe hat. Als er auch noch Spuren einer Misshandlung aufzuweisen scheint, verständigt sie das Jugendamt. Dabei war Dominik bloß aus dem Fenster gesprungen, weil ihm seine Mutter verboten hatte, zum Fußball zu gehen, bevor er seine Aufgaben ordentlich gemacht hat. Als Leni Bluhm auch noch bei einem Intelligenztest versagt, weil sie beim Rorschach-Test in den Klecksbildern bloß Schmetterlinge erkennt, ist der Fall klar. Dass es sich bei Dominiks Pflegefamilie pikanterweise um seine Lehrerin (Susanne Lüning) und ihren Mann handelt, ist zwar etwas unglaubwürdig, treibt die Geschehnisse dramaturgisch jedoch auf die Spitze.
Strahlender Ritter der Geschichte ist Heiner Lauterbach als Anwalt, der mit Fällen dieser Art eigentlich nichts am Hut hat. Seine Zynismen sind ein erfrischender Gegensatz zu Anna Loos, die mimisch und körpersprachlich ganz aufs Opfer ausgerichtet ist. Andererseits trimmt Hartmut Griesmayrs Inszenierung die Geschichte (Buch: Annette Hess) gar nicht mal konsequent zum Melodram: Angesichts der bornierten Behörden ist man eher zornig als ergriffen.
In der Beschreibung mag das nach der üblichen Zuspitzung zur Tragödie klingen, doch Griesmayr fängt die Geschichte immer wieder gerade noch ab. Oft sind es ohnehin Leni Bluhms schlichte Lebensweisheiten, die den Film davor bewahren, allzu melodramatisch zu werden. Ihre Begriffsstutzigkeit ist immer dann amüsant, wenn sie hochtrabende Aussagen als gestelztes Gerede entlarvt und beispielsweise den Psychologen mit seinen eigenen Waffen schlägt. Der hält ihr vor, dass sie ihrem Sohn die Berufswahl überlassen will, muss aber dann gestehen, dass er heute Frisur wäre, wenn er damals auf seine Mutter gehört hätte. Die Botschaft ist klar: Muttergefühle lassen sich nicht mit Intelligenztests messen.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).