TV-Tipp des Tages: "Die Lüge" (ZDF)
Susanne Lasko, seit zwei Jahren ohne Job, wird zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, man macht ihr Hoffnungen, aber dann gibt es doch eine Absage. Entsprechend verzweifelt, nimmt sie das Angebot einer Frau an, der sie scheinbar zufällig begegnet ist.
27.08.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Die Lüge", 30. August, 20.15 Uhr im Zweiten

Man hat sich mittlerweile derart an die Perfektion gewöhnt, dass man kaum noch Gedanken an dieses kleine technische Wunder verschwendet: Wenn Schauspieler eine Doppelrolle spielen, agieren die beiden Figuren so selbstverständlich mit- und nebeneinander, als handele es sich in der Tat um zwei Darsteller. Frei nach Karl Valentin ist dieses Kunststück zwar sehr schön, macht aber auch verdammt viel Arbeit. Für den Krimi „Die Lüge“ zum Beispiel mussten die Einstellungen mit der doppelten Natalia Wörner allesamt zweimal gedreht werden, was vor allem bei Außenaufnahmen wegen des Spiels von Licht und Schatten spätestens bei der Nachbearbeitung eine mittlere Herausforderung ist. Und wenn die eine Natalia in einen Wagen steigt, in dem die andere schon sitzt, gibt es natürlich eine leichte Schaukelbewegung des Autos; das muss selbstredend bei beiden Aufnahmen berücksichtigt werden. Der Rest ist keine Zauberei, sondern pure Berechnung: Damit die Kamera beim doppelten Drehdurchgang jeweils die gleichen Bewegungen macht, ist sie computergesteuert; eine menschliche Hand würde das nie so exakt hinbekommen (Kamera: Michael Wiesweg, Regie: Judith Kennel, optische Spezialeffekte: Markus Selchow).

All der Aufwand aber ist vergeblich, wenn die Hauptdarstellerin nicht glaubhaft zwei unterschiedliche Charaktere verkörpert. Um diese Aufgabe zu erleichtern, wählt man gern Extreme: einen blasierten Millionär und einen bodenständigen Müllmann etwa (wie in der Komödie „Zwillingsküsse schmecken besser“ mit Christoph M. Ohrt); oder, wie hier, eine selbstbewusste, leicht arrogante Berliner Finanzexpertin mit maskenhaft starrem Gesicht und eine deutlich labilere, leicht verhuschte arbeitslose Frau aus Wedding. Wie stets in Geschichten dieser Art tauschen die beiden ihre Rollen. Dass am Ende nur eine übrig bleibt, ist nicht zu viel vorweggenommen, denn der Film verrät das gleich zu Beginn. Der Tod ist in diesem Fall also nicht das Ende, sondern der Anfang; und wenn die Geschichte ihren Prolog eingeholt hat, geht sie noch weiter.

Bis dahin aber ist sie Intrige: Susanne Lasko, seit zwei Jahren ohne Job, wird zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, man macht ihr Hoffnungen, aber dann gibt es doch eine Absage. Entsprechend verzweifelt, nimmt sie das Angebot einer Frau an, der sie scheinbar zufällig begegnet ist: Nadia Trenkler möchte in Ruhe eine Affäre genießen und bittet Susanne, sie daheim zu vertreten. Die Ehe sei derzeit derart distanziert, dass der Rollentausch dem Gatten (Mark Waschke) gar nicht auffallen werde. Susanne gelingt es zwar, optisch nahtlos in die Rolle der mondänen Doppelgängerin zu schlüpfen, kann aber nicht aus ihrer Haut und verliebt sich in den Ehemann. Derweil bastelt Nadia munter an einem Betrug, bei dem es keinesfalls, wie zwischendurch angedeutet, um eine Lebensversicherung, sondern um ein Anlagegeschäft in mehrfacher Millionenhöhe geht.

Die domina-gleiche Emotionslosigkeit Nadias gelingt Wörner problemlos, allerdings übertreibt sie die raumgreifenden Gesten, um den Gegensatz zu verstärken; andererseits spielt sie Susannes Mangel an Selbstbewusstsein allzu demonstrativ. Auch die Geschichte hat ihre Haken. Katrin Bühlig, Autorin diverser ZDF-Samstagskrimis („Bella Block“, „Das Duo“, „Lutter“), hat einen Roman von Petra Hammesfahr adaptiert, wobei Einiges auf der Strecke geblieben sein dürfte; die beiden Frauen erforschen nicht mal die Ursachen ihrer Ähnlichkeit.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).