Der Koalitionskompromiss zur Zukunft der Sicherungsverwahrung stößt in dem Bundesländern auf Bedenken. Der Vorsitzende der Justizministerkonferenz der Länder, Hamburgs Justizsenator Till Steffen (Grüne), sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitagsausgabe), es müsse ein Fragezeichen gesetzt werden, ob der jetzt gefundene Kompromiss den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entspricht. Das gelte insbesondere für das neu geplante Gesetz zur Therapie und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter. "Aus Sicht der für den Vollzug zuständigen Länder besteht noch erheblicher Klärungsbedarf", sagte Steffen.
Berlins Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) sagte im Inforadio des RBB, es gebe noch viele offene Fragen. So sei davon die Rede, dass psychisch kranke Straftäter in geschlossenen Einrichtungen untergebracht werden sollen. Allerdings seien die Sicherungsverwahrten nicht psychisch krank, sondern wiesen Persönlichkeitsstörungen auf. Ob die Persönlichkeitsstörung ausreiche für einen Freiheitsentzug nach den Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention, müsse erst einmal geklärt werden.
Nach wochenlangem Streit um die Sicherungsverwahrung hatten sich Union und FDP am Donnerstag in Berlin auf neue Regelungen geeinigt. Schwerverbrecher, die aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden, sollen in neuen Einrichtungen mit therapeutischer Betreuung untergebracht werden, die vom regulären Strafvollzug losgelöst sind, erklärten Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Der Gesetzentwurf soll bereits am kommenden Mittwoch im Kabinett verabschiedet werden.
Die Verständigung bezieht sich auf 60 bis 80 Schwersttäter, die nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte aus der nachträglichen Sicherungsverwahrung entlassen werden müssen. Der Gerichtshof hatte entschieden, dass die rückwirkende Verlängerung der Sicherungsverwahrung gegen die Menschenrechtskonvention verstößt.
SPD will Pläne mittragen
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann sieht in der Einigung eine "deutliche Verbesserung". Klar sei, das nur jemand in Freiheit kommen dürfe, wenn wirklich sicher sei, dass er keine Gefahr mehr für die Bevölkerung darstellt, sagte Herrmann am Freitag im Bayerischen Rundfunk.
Die SPD kündigte an, die Pläne der Bundesregierung mitzutragen: "Wir begrüßen es, dass die Sicherungsverwahrung nach langem Gezerre innerhalb der Regierung nun endlich neu geregelt werden kann", sagte SPD-Bundestagsfraktionsvize Olaf Scholz der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitagsausgabe). Wenn der Gesetzentwurf halte, was die Minister angekündigt hätten, "wird die SPD ihn konstruktiv begleiten".
Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, Vorsitzender des Innenausschusses im Bundestag, mahnte zur Eile im Gesetzgebungsverfahren. "Es darf kein monatelanges Tauziehen geben", sagte Bosbach der "Passauer Neuen Presse" (Freitagsausgabe).