"Tatort: Borowski und die heile Welt", 27. August, 20.15 Uhr im NDR
Gerade in den Krimireihen tun sich die Hauptfiguren immer wieder schwer, Angehörige über den Tod eines geliebten Menschen informieren zu müssen; erst recht, wenn Kinder gestorben sind. Selten aber ist die Überbringung einer schlechten Nachricht so nachdrücklich inszeniert worden wie in diesem Film. Die Kamera umzingelt den Kieler Kommissar Borowski (Axel Milberg) regelrecht; und was dann folgt, geht bis an die Grenze der emotionalen Erträglichkeit.
Der Titel des "Tatorts" ("Borowski und die heile Welt") ist ohnehin der pure Hohn: Eine heile Welt gibt es nicht, jedenfalls nicht im Krimi; sonst wäre er ja keiner. Bei Familie Nowak ist allerdings nicht mal die Fassade intakt, wie eine Nachbarin eilfertig bestätigt: Den lautstarken Streitereien sollen regelmäßig Handgreiflichkeiten gefolgt sein. Als die kleine Tochter der Nowaks erstickt auf einem Ausflugsboot gefunden wird, ist der Fall für Borowski (Axel Milberg) klar, zumal der Körper der Kleinen Spuren diverser älterer Verletzungen aufweist: Ihr Vater Thies neigt offenkundig zum Jähzorn und war überdies schon mal im Gefängnis.
Es ist ein ebenso bedrückendes wie großartig gespieltes Familiendrama, das der Schweizer Regisseur Florian Froschmayer (nach einem Drehbuch von Elke Schuch und Marc Blöbaum) inszeniert hat. Gerade Katharina Wackernagel und Fabian Hinrichs als überfordertes Ehepaar agieren enorm intensiv. Überaus berührend ist zum Beispiel eine der ersten Szenen, wenn Nadine Nowak auf der Suche nach ihrem Kind im strömenden Regen durch die nächtliche Stadt irrt, immer wieder verzweifelt nach Michelle rufend. Während die hochschwangere Mutter ihr Schicksal ansonsten in stiller Verzweiflung zu erdulden scheint, ist Thies das genaue Gegenteil: Hinrichs spielt den Ehemann wie einen Vulkan, der sich meist unter Kontrolle hat, aber immer wieder mal ausbricht. Anlässe gibt es genug, denn Thies leidet nicht nur unter einer passiv aggressiven Gattin. Sein Restaurant ist ständig leer; von den 50.000 Euro, mit dem eine frühere Freundin die Eröffnung des Lokals überhaupt erst ermöglicht hat, ganz zu schweigen. Die Dame scheint außerdem noch eine gewisse Rolle in seinem Leben zu spielen.
Der Film lebt in erster Linie von der Kombination des Ehepaars, das so gar nicht zusammenpassen will, aber gerade aus der permanenten Kollision seinen Lebenssinn zu ziehen scheint. Unheilvoller Katalysator dieser Mesalliance ist Nadines Mutter Vera, die als Schlüsselfigur der Geschichte ständig Keile zwischen das Paar treibt und von Marita Breuer als prototypisches Gegenteil einer liebevollen Mutter verkörpert wird.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).