TV-Tipp des Tages: "Die Auflehnung" (NDR)
Im Zentrum des Films steht ein älteres Brüderpaar: hier der wortkarge Landwirt Frank, der Kormorane abknallt, dort der distinguierte Willy, eine Koryphäe unter den Hamburger Teeverkostern.
26.08.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Die Auflehnung", 26. August, 22.30 Uhr im NDR

Genau genommen ist der Titel eine Untertreibung: In Siegried Lenz’ Roman „Die Auflehnung“ versuchen praktisch alle handelnden Figuren, sich gegen ihr Schicksal zur Wehr zu setzen; die Einen eher im Stillen, die Anderen im offenen Protest. Die Ursachen des Widerstands sind dabei ganz unterschiedlich: mal sind es die Strukturen, gegen die rebelliert wird, mal ist es die Natur. Das macht die Grundzüge des im Gegensatz zu den anderen Lenz-Verfilmungen der letzten Jahre noch vergleichsweise jungen Romans so aktuell. Und da die Probleme Alt und Jung betreffen, richten sich Buch und Film an Leser und Zuschauer allen Alters.

Mit seiner ruhigen Inszenierung und den langen Einstellungen, die sich für die Landschaft ebenso viel Zeit nehmen wie für die Gesichter (Kamera: Wedigo von Schultzendorff), hat Regisseur Manfred Stelzer die Romanadaption allerdings sehr klassisch umgesetzt. Im Zentrum steht ohnehin ein älteres Brüderpaar, das gegensätzlicher kaum sein könnte: hier der wortkarge Landwirt Frank (Jan Fedder, nach „Das Feuerschiff“ und „Der Mann im Strom“ in seiner dritten Lenz-Verfilmung), der einen Kleinkrieg gegen die Kormorane führt; dort der distinguierte Willy (André M. Hennicke), eine Koryphäe unter den Hamburger Teeverkostern, der seinen Geschmackssinn verloren hat und seinen geliebten Beruf daher aufgeben muss. Während Frank den Zweikampf mit der Natur offen austrägt und die Kormorane abknallt, wann immer sich eine Gelegenheit bietet – ohne Waffenschein, ohne Jagdschein, dazu noch im Naturschutzgebiet -, spielt sich Willys Auflehnung gewissermaßen subkutan ab. Umso bemerkenswerter ist die Leistung Hennickes, der hier ganz gegen sein raubeiniges Image besetzt wurde und dem leicht lebensfremden Tee-Experten eine bemerkenswerte Fragilität verleiht. Ganz wunderbar spielt Hennicke auch eine intensive Romanze Willys mit der Freundin (Daniela Schulz) seiner Nichte; die Einseitigkeit dieser aussichtslosen Liaison macht die Figur noch sympathischer.

Ähnlich gut geführt sind auch die jungen Schauspieler, in deren Rollen sich zum Teil die Geschichte der Älteren spiegelt: Franks Tochter Ute (Jodie Leslie Ahlborn) zum Beispiel will ihr Elternhaus endlich verlassen, muss aber auf dem Hof mitarbeiten; genauso erging es in seiner Jugend Frank, den sein Vater einst sogar an über Nacht an einen Baum fesselte, damit er nicht wegkonnte. Frank hat sich außerdem auch mit Bernhard (Josef Heynert) überworfen, der mal wie ein Sohn für ihn war; bis er in die Kasse griff. Dass Bernhard und Ute ohne Wissen des Vaters längst ein Liebespaar sind, rückt die Geschichte endgültig in die Nähe des Heimatfilms. Allerdings verzichtet Lothar Kurzawa, der auch die Drehbücher zu den beiden anderen Lenz-Verfilmungen des NDR geschrieben hat, konsequent auf jeden Kitsch. Die Zutaten sind jedoch ganz ähnlich, zumal die verschiedenen Erzählebenen unausweichlich in eine Tragödie münden; und so mag dem Film zwar hohe Literatur zugrunde liegen, aber die Umsetzung ist dank der nachvollziehbaren Konflikte höchst lebensnah. Die Szenen mit den Kormoranen sind dagegen schwere Kost, auch wenn das Bild des gekreuzigten Vogels ein ungeheuer starkes Bild ist.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).