Gut zwei Drittel der Unternehmen in Deutschland haben Probleme, offene Stellen zu besetzen. In den kommenden fünf Jahren rechnet die Hälfte aller Unternehmen mit einem Fachkräftemangel bei den Hochqualifizierten, wie sich aus der jüngsten Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) ergibt, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Die Bundesregierung betonte zugleich, dass dem Fachkräftemangel nicht durch eine stärkere Öffnung des Arbeitsmarktes für Ausländer begegnet werden soll.
Nicht nur bei Stellen für Akademiker hätten die Betriebe Probleme, Mitarbeiter zu finden, sagte DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen (56 Prozent) gab an, Schwierigkeiten zu haben, einen Fachwirt oder Meister zu finden. Im Handel und in der Gastronomie könne jeder zweite Betrieb Arbeitsplätze nicht durchgehend besetzen. Der DIHK befragte für die Studie online 1.600 Unternehmen im ganzen Bundesgebiet.
Fehlt eine "Willkommenskultur"?
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) kündigte für den Mai nächsten Jahres einen "Trendreport" an, in dem festgehalten werde, in welcher Region welche Arbeitskräfte gesucht würden. Dieser Bericht solle künftig zwei Mal im Jahr erscheinen. "Passgenaue Planung" für den Arbeitsmarkt sei entscheidend. "Erst danach kommt die Zuwanderung", betonte die Ministerin. Sie verwies darauf, dass bis 2030 die Zahl der potenziell Erwerbstätigen im Alter zwischen 20 und 65 Jahren um sechs Millionen im Vergleich zu heute zurückgehe.
Auch nach Einschätzung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) kann die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte nur einen kleinen Beitrag zur Lösung des Problems leisten. Das geltende Recht reiche dafür aus. So gebe es etwa seit vergangenem Jahr eine Verordnung, wonach die Vorrangprüfung für Ingenieure entfällt. Das bedeutet, dass vor Einstellung eines Ingenieurs aus dem Ausland nicht mehr geprüft werden muss, ob es auch einen inländischen Bewerber gibt.
Die Bundesregierung befürworte nur eine Zuwanderung, die mit dem deutschen Arbeitsmarkt verträglich sei, sagte de Maizière. In den vergangenen Monaten hatten Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) gefordert, ausländischen hochqualifizierten Fachkräften die Einwanderung nach Deutschland zu erleichtern. Wenn nicht die Richtigen nach Deutschland kämen, liege das an vielen Dingen, aber nicht am Zuwanderungsrecht, so der Innenminister. Es gebe jedoch Hemmnisse durch eine fehlende "Willkommenskultur".
Linke: Fachkräftemangel ist hausgemacht
"Da haben wir einen gewissen Nachholbedarf", gab Driftmann zu. Die Wirtschaft habe zwar in den vergangenen Jahren zunehmend eine offene Haltung gegenüber Einwanderern entwickelt, aber es gebe nicht eine solche Tradition wie in anderen Ländern.
Die ausbildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Agnes Alpers, wies darauf hin, dass die Unternehmen sich seit Jahren aus ihrer Verantwortung für die Ausbildung zurückzögen. Nur noch 24 Prozent der Betriebe bildeten aus. Das Problem des Fachkräftemangels sei hausgemacht.
Die Grünen forderten die Bundesregierung auf, vor allem die Weiterbildung auszubauen. Sie müsse fester Bestandteil des Erwerbslebens werden, erklärten die bildungspolitische Sprecherin Priska Hinz und die arbeitsmarktpolitische Sprecherin Brigitte Pothmer. Dass die Regierung tatenlos bleibe, sei eine "armselige Vorstellung".