TV-Tipp des Tages: "Takiye - Spur des Terrors" (ARD)
"Takiye" ist ein Film über Türken in Deutschland. In erster Linie aber erzählt Autor Kadir Sözen ein Familiendrama, und darin liegt auch die Stärke des Werks.
23.08.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Takiye - Spur des Terrors", 25. August, 20.15 Uhr im Ersten

Der WDR und Fernsehfilmredakteur Wolf-Dietrich Brücker sind erneut für ein Projekt zu loben, das auf den ersten Blick alles andere als mehrheitsfähig wirkt. Die wichtigsten Figuren haben fast ausnahmslos türkische Wurzeln. Die Handlung trägt sich überwiegend in der islamischen Gemeinde Kölns zu, der Glaube spielt eine entsprechend große Rolle; und doch geht es in Sözens Geschichte um universelle Werte, etwa um den Zusammenhalt innerhalb der Familie, um Verantwortung. Hauptfigur Metin, mit viel Gefühl und Verve von Erhan Emre verkörpert, lädt ohnehin zur Identifikation ein. Er ist ein liebevoller Familienvater, ein gläubiger Mensch; und leider auch gutgläubig. Das rächt sich, als eine türkische Investment-Firma pleite geht: Geblendet von den versprochenen Renditen und der Versicherung, man handele im Sinne des Korans, hatte Metin nicht nur die eigenen Ersparnisse investiert, sondern auch alle Nachbarn dazu überredet, es ihm gleich zu tun; die stehen jetzt vor dem Ruin.

Der etwas großspurige deutsche Titelzusatz deutet bereits an, dass dieser Verlust nur die eine Seite der Handlung ist. Die andere ist deutlich undurchsichtiger, denn hier arbeiten Geheimdienste mal mit-, mal gegeneinander. Das investierte Geld ist angeblich in islamistische Projekte geflossen. Metins Schwiegervater, seit Jahren einem Verfassungsschützer (Michael Mendl) freundschaftlich verbunden, hat das geahnt, stirbt aber bei einem Sprengstoffanschlag; und mit ihm Metins Frau. Für den jungen Mann ist es eine Frage der Ehre, die Hintergründe des Anschlags aufzuklären. Ben Verbongs Film (Buch: Kadir Sözen) verlässt nun die überschaubare türkische Gemeinde und büßt prompt viel von seiner Glaubwürdigkeit ein: Metin reist gemeinsam mit einer als Reporterin getarnten Agentin (Suzan Anbeh) nach Istanbul, um dort nach den Drahtziehern zu suchen.

Viel besser sind Verbong die Szenen mit Metin und seinem Bruder Numan gelungen, zumal Emre und Stipe Erceg wunderbar zusammenspielen. Ohnehin tragen gerade die türkischen oder türkischstämmigen Schauspieler (allen voran Özay Fecht als Metins Mutter, Ali Sürmeli als Schwiegervater, Fahriye Evcen als seine Frau) viel dazu bei, dass "Takiye" auch trotz dramaturgischer Schwächen sehenswert bleibt. Seltsam nur, dass alle handelnden Personen ausgezeichnet und konsequent deutsch sprechen; das ist dann wohl doch ein Zugeständnis an den Sendeplatz. Und der türkische Titel des Films, der in der Türkei auch in den Kinos lief, ist um Klassen besser als der deutsche Zusatz: "Takiye" heißt so viel wie scheinheiliges Gehabe.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).