Das SPD-Präsidium hat die von der engsten Führung vorgeschlagene Kompromisslinie bei der Rente mit 67 am Montag einstimmig gebilligt. Wie Parteichef Sigmar Gabriel in Berlin berichtete, votierten nach kurzer Debatte auch Vertreter des linken Parteiflügels für das Konzept zur Änderung des geltenden Gesetzes, das die längere Lebensarbeitszeit erst einmal hinausschiebt.
Die Gewerkschaften begrüßten das Einlenken der SPD. Der Kampf gegen die zunehmende Altersarmut müsse auch Thema des nächsten Bundestagswahlkampfes sein, sagte DGB-Chef Michael Sommer nach einem Treffen der Gewerkschaftsvertreter mit der SPD-Spitze.
Nach dem SPD-Konzept soll jetzt der schrittweise Einstieg in die von der großen Koalition beschlossene Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf 67 Jahre erst dann erfolgen, wenn mindestens 50 Prozent der 60 bis 64 Jahre alten Arbeitnehmer in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung sind. Als Datum wird von der SPD dafür frühestens 2015 angepeilt - und nicht wie bislang vorgesehen 2012.
Die SPD beruft sich dabei auf die in dem 2007 verabschiedeten Gesetz enthaltene Überprüfungsklausel, nach der vor Einführung der Rente mit 67 zunächst die Arbeitsmarktlage der Älteren zu überprüfen ist. Sommer sagte dazu: "Offensichtlich nimmt die SPD den Gesetzestext ernster als die jetzige Bundesregierung."
Parteitag nächstes Jahr entscheidet
Über das endgültige SPD-Konzept zur Rente mit 67 soll erst ein Parteitag im kommenden Jahr entscheiden - und nicht bereits der nächste Kongress Ende September. Zunächst sollen die vorgeschlagenen Maßnahmen mit Fachleuten und den Parteimitgliedern diskutiert und von einer Kommission bewertet werden. Dieser gehören auch Vertreter des linken Parteiflügels wie die Sozialpolitiker Elke Ferner und Ottmar Schreiner an.
Der SPD-Vize und frühere Arbeitsminister Olaf Scholz verwies darauf, dass im vergangenen Jahr nur 21,5 Prozent der 60- bis 64-Jährigen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gehabt hätten. Der Anteil sei zwar gestiegen, aber deutlich weniger als erhofft. "Nahezu 80 Prozent sind bereits vor dem 60. Lebensjahr aus der Arbeit ausgeschieden", sagte Scholz. Diese Zahlen würden inzwischen auch von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) anerkannt.
Die Ministerin muss laut Gesetz im November einen neuen Bericht über die Arbeitsmarktlage Älterer vorlegen. Die CSU kritisierte die SPD und ihren Vorsitzenden. "Gabriel ist der Rententäuscher. Wider besseres Wissen will er vorgaukeln, dass es eine Alternative zur Rente mit 67 gäbe", sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt in München.
Scholz bezeichnete die Arbeitsmarktsituation für Ältere als nach wie vor kritisch. Die Arbeitslosigkeit unter den über 60-Jährigen sei im vergangenem Jahr um 90 Prozent gestiegen. Zu befürchten sei ein weiterer Anstieg, wenn die bisher vom Staat geförderte Altersteilzeit auslaufe.
Lage älterer Beschäftigter verbessern
Die SPD schlägt ein umfangreiches Maßnahmenbündel vor, um die Situation älterer Beschäftigter zu verbessern. Für Berufsgruppen mit besonderen Belastungen wie langjähriger Schichtarbeit oder körperlicher Anstrengung sollen flexible Übergangsregelungen geprüft werden. "Ich kenne keine Krankenschwester, die mit 67 noch einen Patienten heben kann", sagte Gabriel. Die SPD verlangt zudem die Anerkennung von vollzeitschulischer Ausbildung als Rentenversicherungsjahre, ebenso neue Berechnungsverfahren bei der Rente für die Zeiten von unverschuldeter Arbeitslosigkeit.
Ein Aussetzen des Einstiegs in die Rente mit 67 um mindestens drei Jahre wird nach Scholz' Aussage anfangs einen um 0,1 Prozentpunkte höheren Rentenbeitrag nötig machen. Die von der SPD vorgeschlagenen Maßnahmen zur Erhöhung der Beschäftigtenquote Älterer werden laut Scholz 2030 rund eine Milliarde Euro kosten.
SPD-Vize Klaus Wowereit, der zunächst eine völlige Abkehr von der Rente mit 67 verlangt hatte, war bereits bei einem Treffen am Vorabend auf die Kompromisslinie eingeschwenkt. "Es ist gut und richtig, dass die Debatte um die Rente mit 67 neu geführt wurde und wird." Ein striktes Festhalten an der Rente mit 67 sei aus seiner Sicht falsch und widerspreche "der gelebten Realität". Der Berliner Regierungschef sagte weiter: "Jetzt sind die Unternehmen in der Pflicht, die Beschäftigungschancen älterer Arbeitnehmer zu verbessern. Wichtig ist, dass die Beschäftigen von Kürzungen verschont bleiben."