"Tatort: Hauch des Todes", Sonntag, 22. August, 20.15 Uhr im Ersten
"Hauch des Todes" ist der fünfzigste Fall von Lena Odenthal und ein würdiges Jubiläumsstück: Der Film ist Kino fürs Fernsehen. Die Geschichte mag eine Nummer zu groß für Ludwigshafen sein; das Gewimmel im Revier und die vielen schwarzen Uniformierten, deren Anwesenheit nicht weiter erklärt wird, lassen den "Tatort" mitunter wie eine Kopie amerikanischer Vorbilder wirken.
Aber das stört nicht weiter, schließlich sprengt auch die Geschichte den Rahmen des Sonntagssendeplatzes: Nach dem Fund einer öffentlich inszenierten Leiche glaubt Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) sofort an einen Serienmörder. Die tote Frau ist wie in einen Kokon in Plastikfolien eingewickelt und hängt am Hafen mit den Füßen nach unten von einer Baggerschaufel. Es handelt sich um eine Opernsängerin.
Sängerin mit zwielichtigem Freund
Die Sopranistin hatte einen etwas zwielichtigen Freund, Christian Brenner (Lars Rudolph), der für Mario Kopper (Andreas Hoppe) prompt zum Hauptverdächtigen wird, als sich rausstellt, dass er auch in einen anderen Mord verwickelt war: Vor einiger Zeit ist die Schwester einer Mannheimer Kommissarin mit einer Plastiktüte erstickt worden. Die Archivrecherchen führen zu weiteren unaufgeklärten Morden, die alle vom selben Täter ausgeführt worden sein könnten. Allerdings kann Brenner nicht jedes mal der Täter gewesen sein, ganz im Gegensatz zum Schiffsarbeiter Klingspohn (Sven Pippig). Zu ihm führen Rückstände, die auf der Leiche im Hafen gefunden wurden.
Tatsächlich entdecken die Ermittler in seiner Kabine Kleidungsstücke der toten Frauen. Aber weil die Indizien viel zu gut zusammenpassen, keimt in Lena Odenthal der Verdacht, dass der wahre Mörder ein infames Spiel mit der Polizei treibt. Als sich dann noch rausstellt, dass die Kommissarin der Frau auf einem zerkratzten Foto, dass man bei der letzten Leiche fand, zum Verwechseln ähnlich sieht, ist klar, dass auch sie auf der Todesliste steht.
Ermittler in die Irre geführt
Schon der sorgfältig in die Bilder integrierte Vorspann verdeutlicht, dass alle Beteiligten bei diesem "Tatort" einen besonderen Film im Sinn hatten. Jürgen Werners klug konstruiertes komplexes Drehbuch ist gerade in den Details sehr sorgfältig. Zu den vielen Spuren, die die Kriminaltechniker finden und die die Ermittler immer wieder in die Irre führen, zählt unter anderem ein Kratzwurm im Ohr der ersten Leiche. Ohnehin kreucht und fleucht allerlei Kroppzeug durch die Bilder. Immer wieder schwenkt oder fährt die Kamera auf Käfer, Raupen und Würmer; im Schlussbild befreit sich ein prächtiger Falter aus seinem Kokon.
Das mag man wichtigtuerisch finden, aber dem Film schadet es nicht; und wer es ein bisschen prätentiös mag, darf sich den Kopf zerbrechen, ob diese Bilder zur Wahrheitsfindung beitragen. Das dramatische Finale auf einem Taucherglockenschiff ist ohnehin ein echter Höhepunkt und entschädigt dafür, dass Montag und Werner die Identität des Mörders nach einer Stunde offenbaren und sein Motiv spätestens seit Alfred Hitchcocks Thriller "Psycho" nicht mehr sonderlich originell ist.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).