"Frau Böhm sagt nein", Samstag, 21. August, 21.40 Uhr im WDR
Ähnlichkeiten mit lebenden Personen seien rein zufällig, versichert eine Schrifttafel zu Beginn des Film: eine reine Schutzbehauptung, denn natürlich soll man sie alle wieder erkennen, die Essers, Ackermanns, Middelhoffs und Wiedekings dieser Welt. Auch die "Lustreisen" des VW-Betriebsrats sind Thema der Geschichte; eigentlich fehlt bloß noch die Bestechungsaffäre bei Siemens. Auslöser der Idee zu diesem Drehbuch von Dorothee Schön aber war die Übernahmeschlacht zwischen Mannesmann und Vodafone, als sich deutsche Manager ihre Niederlage mit 60 Millionen Euro vergolden ließen. Damals hatte sich eine Sachbearbeiterin geweigert, die Prämien anzuweisen. Sie ist das Vorbild für die Heldin dieses Films, dessen Titel vor allem wegen seiner Bescheidenheit so wunderbar passt: "Frau Böhm sagt nein".
Eine der größten Stärken von Schöns Handlung ist der konsequente Verzicht auf jede Art von Heroik. Weil alle Beteiligten von Anfang der Meinung waren, die Hauptfigur als allenfalls "stille Heldin" zu ehren, fand man in Connie Walther genau die richtige Regisseurin für diesen Stoff. Schon ihre ungewöhnliche Stasi-Romanze "12 heißt ich liebe dich" handelte ja von ganz normalen Menschen, die sich nur deshalb ungewöhnlich verhalten, weil sie in eine außergewöhnliche Situation geraten.
Verhuschte ältere Dame
Für Rita Böhm gilt das nicht minder, und niemand könnte diese verhuschte ältere Dame kurz vor der Rente besser verkörpern als Senta Berger. Frau Böhms devote Körperhaltung, die indirekten Blicke, die sich nur ungern in die Augen ihrer Gesprächspartner verirren, dieses ganze personifizierte Mausgrau: All das hat Senta Berger nach dem Deutschem Fernsehpreis für "Schlaflos" mit dem Adolf-Grimme-Preis gleich schon die nächste Auszeichnung eingebracht.
Rita Böhm ist in der Traditionsfirma Hewaro, die schon lange nicht mehr dem Gründer gehört, eine angepasste Außenseiterin: Die Sachbearbeiterin ist für die Bezüge des Vorstands zuständig und daher die Diskretion in Person. Als Hewaro von einem Weltkonzern geschluckt wird und sie den Vorstandsmitgliedern insgesamt 80 Millionen Euro Prämie anweisen soll, sagt sie vermutlich zum ersten Mal in ihrem Arbeitsleben nein. In der Betriebskantine wird sie dafür gefeiert; dabei hat sie doch nur ihre moralische Pflicht getan. Und das bisschen Sand hält das Globalisierungsgetriebe sowieso nur kurz auf.
Unverbrauchte Gesichter
Connie Walther und ihr bevorzugter Kameramann Peter Nix verzichten bei der Bildgestaltung konsequent auf Effekthascherei. Formal gibt sich der extrem sparsam musikalisierte Film also ähnlich bescheiden wie Titel und Hauptfigur. Aber die Führung der Darsteller, eine der großen Stärken Walthers, ist optimal gelungen. Das gilt gerade auch für die vielen Nebenfiguren, die konsequent mit unverbrauchten Gesichtern besetzt wurden, so dass die Schauspieler die Rollen nicht überlagern.
Gegenspielerin Frau Böhms ist ohnehin weniger der Vorstandschef (Thomas Huber), sondern seine Sekretärin Ira Engel (Lavinia Wilson), eine ehrgeizige junge Frau. Als sich Frau Böhm vorübergehend um die Tochter der durch einen Hörsturz außer Gefecht gesetzten Kollegin kümmert, scheint es fast, als könnten die beiden so unterschiedlichen Frauen Freundinnen werden; bis Frau Böhm entdeckt, dass auch Ira Engel eine sechsstellige Provision erhalten soll.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).