Bildungs-Card erfüllt Vorgaben aus Karlsruhe nicht
Mit der geplanten Bildungs-Chipkarte für Hartz-IV-Kinder erfüllt die Bundesregierung nach Expertenmeinung nicht die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.

Durch das Karten-Modell werde das vom Karlsruher Gericht angemahnte soziokulturelle Existenzminimum nicht gesichert, sagte der Mannheimer Sozialökonomen Holger Bonin dem epd. Die Karte sei aber eine "wünschenswerte Kann-Leistung", erklärte der Wissenschaftler.

Nach dem Hartz-IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes müssen bei Kindern Ausgaben für Bildung stärker berücksichtigt werden. Bundessozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) stellt ihre Pläne für eine Bildungs-Card am Donnerstag den Sozial- und Familienpolitikern der Koalitionsfraktionen im Bundestag vor.

Die Karte könne Kindern aus sozial schwachen Haushalten den Zugang zu Sport und Kultur erleichtern, sagte Bonin. Inwieweit sie die gewünschte Wirkung tatsächlich entfalten werde, sei indes unklar, schränkte er ein. Denn die Frage bleibe, ob Eltern überhaupt bereit seien, ihren Kindern die Angebote zu erschließen. "Wie kommt ein Kind etwa zur Musikschule oder zum Schwimmunterricht?". Der Zugang zur Bildung scheitere keineswegs allein am Geldmangel.

Bonin plädierte dafür, bereits für Zweijährige Förderangebote zu machen. "Oft wäre Ganztagsbetreuung schon sehr früh eine gute Lösung", sagte er. Dies könne Sport oder musische Erziehung einschließen. Förderung in den ersten drei Lebensjahren habe "unglaublich hohe Erträge". Es gebe "einen Zinseszinseffekt von Bildungsinvestitionen". Für die Bildungs-Card spreche, dass sie ein relativ einfaches Instrument sei, nachträglich bei Heranwachsenden "korrigierend einzugreifen".

Die Gefahr der Stigmatisierung durch die Chipkarte sei durchaus vorhanden. Der Mannheimer Wissenschaftler glaubt jedoch, dass Kinder aus Hartz-IV-Familien im Alltag so viel Stigmatisierung erleben, dass eine Card "den Kohl auch nicht mehr fett" macht. Bonin ist Leiter des Forschungsbereichs "Arbeitsmärkte, Personalmanagement und Soziale Sicherung" am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim.

epd