Tusch für die "Pionierin der modernen Verhütung"
Vor 50 Jahren kam die erste Antibabypille auf den Markt. Heute nehmen sie rund 100 Millionen Frauen weltweit. In den USA und Indien ist die Pille inzwischen von der weiblichen Sterilisierung vom Spitzenplatz der Verhütungsmittel verdrängt worden. In Afrika dagegen betreibt erst ein Viertel der Frauen Familienplanung.
17.08.2010
Von Gisela Ostwald

Ein Brei aus Datteln, Akazien und Honig diente Frauen im Alten Ägypten zur Schwangerschaftsverhütung. Casanova experimentierte mit einem ganzen Arsenal von Hausmitteln, darunter der Blase von Schafen als Kondom und ausgehöhlten Zitronenhälften die sich Frauen einsetzen sollten. Erst im 20. Jahrhundert entdeckten Forscher ein Hormon, das den Eisprung verhindert und somit Schwangerschaften vorbeugt.

An diesem Mittwoch jährt sich der Tag, an dem die erste Antibabypille der Welt auf den Markt kam, bereits zum 50. Mal. Bei ihrem Verkaufsstart in den USA, am 18. August 1960, wurde Enovid zunächst nur an verheiratete Frauen ausgegeben.

In Deutschland erfolgte die Zulassung im Jahr darauf. Derzeit umfasst das Angebot etwa 200 Präparate. Derweil dürfte eine Megastudie, die 46 000 Frauen über einen Zeitraum von 40 Jahren beobachtete, nun einige Sorgen um starke Nebenwirkungen der Pille vom Tisch fegen. Sie kam zu dem Ergebnis, dass die Einnahme von Pillen der ersten Generation über Jahrzehnte hinweg betrachtet weder das Risiko für Krebs noch für Herz- und Kreislaufprobleme erhöht.

"Die Pille war von Anfang an unkompliziert und höchstwirksam. Sie ist die Pionierin der modernen Verhütung", sagte die Ärztin und Expertin für reproduktive Gesundheit beim UN-Bevölkerungswerk UNFPA, Nuriye Ortayli, der Nachrichtenagentur dpa in New York. Weltweit nehmen nach Schätzung des UNFPA etwa 100 Millionen Frauen täglich die winzige Tablette. Das sind knapp neun Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter, laut UNFPA gut eine Milliarde Frauen. Weitaus mehr Frauen lassen sich sterilisieren, nachdem ihr Kinderwunsch erfüllt ist.

Behandlung "weiblicher Störungen"

Wie es nach Jahrtausenden komplizierter Verhütungsmethoden zum Durchbruch kam, beschreibt der Chemieprofessor Carl Djerassi sehr lebendig in seinem Buch "This Man's Pill". In Wien aufgewachsen, floh Djerassi vor den Nazis nach Amerika. Gerade 28-jährig gelang ihm die Synthese von Norethindron, einem Stoff mit den Eigenschaften des weiblichen Sexualhormons Progesteron. Der Weg war gebahnt und Djerassi hieß fortan der "Vater" der Pille. Zumindest war er einer ihrer Väter.

Denn zwei andere US-Forscher, Gregory Pincus und John Rock, setzten die Arbeit fort und testeten ihr Mittel von 1956 an klinisch in Puerto Rico. Im Jahr darauf durfte es zur Behandlung "weiblicher Störungen" verschrieben werden. Noch bevor die erste Pille zur Verhütung von Schwangerschaften freigegeben wurde, hatten tausende Amerikanerinnen sie schon in Gebrauch - offiziell gegen menstruelle Unregelmäßigkeiten.

Die Weichen hatte 40 Jahre zuvor ein anderer Mann gestellt, wie Djerassi in seinem Buch schreibt. Er nennt Ludwig Haberlandt, ehemals Professor der Physiologie in Innsbruck, den "Großvater" der Pille. Der Österreicher hatte weiblichen Kaninchen die Eierstöcke schwangerer Artgenossinnen eingepflanzt und festgestellt, dass das progesteronhaltige Implantat die Tiere trotz reichlichen Verkehrs vor Empfängnis schützte. In seinem Buch "Die hormonale Sterilisierung des weiblichen Organismus" sagte Haberlandt die Pille schon 1931 voraus.

An Popularität eingebüßt

Inzwischen hat sie an Popularität eingebüßt. In den USA und Indien ist die Durchtrennung der Eileiter (Tubenligatur) bereits die primäre Verhütungsmethode. Die männliche Sterilisierung (Vasektomie) ist laut Ortayli in Thailand, Neuseeland und Australien sehr populär, trägt insgesamt aber nur mit 3 Prozent zur Verhütung bei. Pessare, Spiralen und weibliche Kondome sind mit 15 Prozent dabei.

Allerdings betreiben überhaupt nur zwei Drittel der weiblichen Weltbevölkerung im entscheidenden Alter Familienplanung. Laut UNFPA werden jedes Jahr 190 Millionen Frauen schwanger, fast 50 Millionen entscheiden sich für eine Abtreibung - oft unter sehr schlechten medizinischen Bedingungen.

In Afrika verlässt sich die Mehrheit notgedrungen oder auch aus Überzeugung auf traditionelle Methoden. Derzeit hat nur jede vierte Afrikanerin Zugang zur Pille, einer Monatsspritze oder einem Kondom. Vielen Frauen fehle die Information oder das Geld zum Erwerb, andere fürchten, dass sie im Dorf als unfruchtbar und damit wertlos gelten könnten, wenn sie nicht wenigstens jedes zweite Jahr ein Kind zur Welt bringen, bedauert die UNFPA-Expertin Ortayli.

dpa