Finanzmarkt: Die Euro-Feuerwehr steht bereit
Der Euro war in Gefahr, Europas Regierungen mussten schnell handeln. Heraus kam der gigantische Euro-Rettungsschirm, der notleidende Staaten vor dem Bankrott retten soll. Gebraucht hat ihn bisher niemand. Und die wirklichen Probleme sind längst nicht gelöst.
16.08.2010
Von Marion Trimborn

Es ist wie bei einer Feuerversicherung: Allein ihre Existenz lässt Hausbesitzer ruhig schlafen. Genauso verhält es sich mit dem Euro-Rettungsschirm. Allein weil es ihn gibt, haben sich die Finanzmärkte schon beruhigt. Das historisch einmalige Notpaket, das die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) am 9. Mai in aller Eile geschnürt haben, um eine drohende Kernschmelze des Euro zu verhindern, wirkt. Die Tatkraft der Regierungen und der unter Beweis gestellte unbedingte Wille zum Sparen haben den Euro gerettet.

Kalkül der EU-Regierungen aufgegangen

100 Tage nach der dramatischen Hilfsaktion sieht es so aus, als würde sich bewahrheiten, worauf alle hoffen: Dass der Fonds niemals aktiviert werden muss. "Im Moment ist es unwahrscheinlich, dass überhaupt irgendwelches Geld gebraucht werden wird", sagt der Chef der Zweckgesellschaft, Klaus Regling. Der Fonds, der seit Anfang August einsatzbereit ist, soll im Notfall Euro-Länder vor der Pleite retten - und die Gemeinschaftswährung vor Spekulationsattacken. Bis zu 750 Milliarden Euro Kredite stehen bereit.

"Das Kalkül der EU-Regierungen ist aufgegangen", bilanziert der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer. Blickten im Frühjahr alle Investoren auf die Probleme der Euro-Länder, hat sich ihre Aufmerksamkeit inzwischen auf die USA verlagert, wo sich das Wirtschaftswachstum abschwächt und die Menschen weitaus stärker über ihre Verhältnisse leben als viele Europäer.

In der Euro-Zone ist der langersehnte Aufschwung mit einem Wachstum von 1,0 Prozent im zweiten Quartal gegenüber dem Vorquartal da. Selbst die Sorgenkinder der Euro-Zone wie Spanien oder Portugal, die der Rettungsschirm notfalls auffangen sollte, haben zuletzt positiv überrascht und machen ernst mit Sparkurs und Defizitabbau. Doch es gibt auch schlechte Nachrichten: Die griechische Wirtschaft schrumpft stärker als erwartet, weil das eiserne Sparen die Rezession verschärft.

2011: Das Schicksalsjahr

Es wäre blauäugig zu glauben, dass die Schuldenkrise ausgestanden ist. "Sie kann jederzeit wieder ausbrechen, wenn sich abzeichnet, dass Griechenland oder ein anderes Land seine Schulden nicht zurückzahlen kann", sagt der Konjunkturexperte von der Allianz, Rolf Schneider. Entscheidend ist, ob die Staaten langfristig ihren Sparkurs durchhalten können - das Schicksalsjahr dürfte erst 2011 sein. "Die Euro-Zone hat sich nur Zeit gekauft, nicht mehr und nicht weniger", sagt ein EU-Diplomat.

Alles wird davon abhängen, ob die Europäer ihre Haushalte sanieren. Ohne härtere Strafen geht das nicht - da sind sich Europas Politiker einig. In einem gemeinsamen Brief mit Frankreichs Staatspräsident Nikolas Sarkozy an Brüssel hat Bundeskanzlerin Merkel eine "Ausdehnung der Überwachung" und "wirksamere Sanktionen im Rahmen des Defizitverfahrens" befürwortet.

"Wir müssen unsere Zähne schärfen"

Nun macht sich Brüssel also daran, den schweren Geburtsfehler des Euro zu beseitigen, das Fehlen einer gemeinsamen Finanzpolitik. Der Stabilitätspakt soll gestärkt und Defizitsünder sollen härter bestraft werden - zum Beispiel könnte Brüssel Gelder aus europäischen Agrar- oder Regionaltöpfen streichen. "Wir müssen unsere Zähne schärfen", sagt EU-Währungskommissar Olli Rehn. Gesetzesvorschläge will er im September vorlegen.

Da ist Streit vorprogrammiert. Deutschland fordert ein internationales Insolvenzrecht für Staaten, damit überschuldete Länder und ihre Gläubiger einen geordneten Neustart regeln können. Auch der Entzug des Stimmrechts im Europäischen Rat und eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild in den nationalen Verfassungen liegen auf dem Tisch. Dafür müsste aber der EU-Vertrag geändert werden, ein langwieriges Unterfangen ohne Aussicht auf Erfolg.

In drei Jahren schlägt die Stunde der Wahrheit

Potenziell von Insolvenz bedrohte Länder dürften dagegen Sturm laufen. In einer EU-Arbeitsgruppe zur Reform unter Leitung von Ratspräsident Herman van Rompuy dürfte es nach der Sommerpause heiß hergehen.

Spätestens in drei Jahren schlägt die Stunde der Wahrheit - dann läuft der befristete Euro-Rettungsfonds aus. "Wenn es keinen Finanztransfer gibt, wird der Fonds am 30. Juni 2013 schließen", betont der Chef der Finanzgesellschaft Regling. Bessert sich die Lage der Euro-Staaten bis dahin nicht, könnten Länder wieder Ziel spekulativer Attacken werden. Erst wenn die Rettungsmaßnahmen auslaufen, wird wirklich über die Zukunft der Euro-Zone entschieden.

dpa