In CDU und CSU hat sich vor kurzem aus Sorge um das katholisch-konservative Profil der Partei ein "Arbeitskreis Engagierter Katholiken" gegründet. In die SPD kommt ebenfalls Bewegung - allerdings genau in die entgegengesetzte Richtung. Im Herbst soll ein Arbeitskreis "Laizistinnen und Laizisten in der SPD" ins Leben gerufen werden. Nach Auskunft des Initiators, Nils Opitz-Leifheit, gibt es schon 300 Interessenten. Bei einer Gründungsversammlung im Juni in Nürnberg wurden bereits Grundsätze beschlossen.
Die Gruppe versteht sich nicht als kirchenfeindlich. "Religiöse Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die für einen weltanschaulich neutralen Staat sind, sind uns ... herzlich willkommen", heißt es auf der Homepage. Kernforderung ist die komplette Trennung von Kirche und Staat. Er stehe dem Engagement von Christen in seiner Partei nicht ablehnend gegenüber, sagt Opitz-Leifheit, Fraktionsreferent im baden-württembergischen Landtag. Die SPD sei aber zu wenig kirchenkritisch und verliere bei Kirchenfernen nach seiner Erfahrung an Zuspruch, meint der 46-Jährige, der aus der katholischen Kirche ausgetreten ist.
Die neue Gruppe hat die Unterstützung mehrerer Bundestagsabgeordneter, darunter sind Carsten Schneider aus Erfurt, der frühere Staatsminister Rolf Schwanitz (Sachsen) und die rheinland-pfälzische Abgeordnete Doris Barnett. Auch der thüringische Wirtschaftsminister Matthias Machnig und die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorstandssprecherin der KfW-Bankengruppe, Ingrid Matthäus-Maier, haben sich angeschlossen.
Die "Laizisten in der SPD" sehen sich in der Tradition des Humanismus, der Aufklärung und der Arbeiterbewegung. In ihren Anfängen war die Arbeiterbewegung zunächst antiklerikal eingestellt. Kirchen wurden von der frühen, marxistisch geprägten Sozialdemokratie als Verbündete der herrschenden Klasse in Staat und Gesellschaft eingestuft. Freidenkertum war eine der sozialdemokratischen Wurzeln. In SPD-Parteiprogrammen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts machte die Forderung "Religion ist Privatsache" dies deutlich. Umgekehrt gab es von kirchlicher Seite eine klare Distanzierung zur Sozialdemokratie.
Wendepunkt im Godesberger Programm
In der Weimarer Republik versuchte die SPD vergeblich, ihre Forderungen nach Trennung von Staat und Kirche durchzusetzen. Nach 1945 sorgten vor allem die Beitritte aus der Gesamtdeutschen Partei - darunter Gustav Heinemann, Johannes Rau, Diether Posser, Erhard Eppler und Jürgen Schmude - für ein starkes protestantisches Profil der SPD.
Einen Bruch mit der Tradition des Marxismus markiert das Godesberger Programm von 1958, in dem sich die SPD von überkommenen Dogmen verabschiedete. Demokratischer Sozialismus sei gleichermaßen in "christlicher Ethik, im Humanismus und in der klassischen Philosophie verwurzelt". Dem Sozialismus gehe es nicht um Glaubenswahrheiten, weder Partei noch Staat hätten darüber zu entscheiden. Den Kirchen versichert das SPD-Programm "öffentlich-rechtlichen Schutz". Erst in der Folgezeit kam es zu Kontakten zwischen SPD und katholischer Kirche.
Die "Laizisten in der SPD" erheben weitgehende Forderungen. Sie wollen sich für einen weltanschaulich neutralen Staat einsetzen, in der die beiden großen Kirchen keine Privilegien genießen. Kreuze in Klassenzimmern oder Amtsstuben werden ebenso abgelehnt wie Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach oder die Einsegnung von öffentlichen Gebäuden.
Thierse beklagt "Einengung"
Der Sprecher der "Christinnen und Christen in der SPD", Wolfgang Thierse, sieht darin eine "dramatische Einengung der SPD". Die Partei sei weltanschaulich plural. "Ich kann meine Partei nur davor warnen, eine Partei der Kirchenfeinde werden zu wollen", betont der Vizepräsident des Bundestags. Das Verhältnis zu den Kirchen nennt Thierse freundschaftlich und konstruktiv. In vielen sozialen Fragen gebe es eine große Übereinstimmung. "Warum sollten wir das verleugnen oder eine künstliche Distanz schaffen?"
Neben ihren politischen Forderungen wollen sich die Laizisten auf parteiinterne Debatten konzentrieren. Parteimitglieder mit religiösem Hintergrund brächten sich in Diskussionen stark ein. "Wenn es dann keinen Gegenpol gibt, kann eine Partei Schlagseite bekommen", sagt Opitz-Leifheit.
Wenn bei ethischen Fragen weltanschauliche Überzeugungen zum Zuge kämen, tue dies der Partei gut, meint hingegen Thierse. Außerdem zähle die Qualität der Argumente, nicht deren Herkunft. Die Argumente der SPD-Laizisten haben ihn bislang nicht überzeugt. Über die Gründung eines Arbeitskreises muss der Parteivorstand entscheiden. Die Gründungsversammlung haben die "Laizisten in der SPD" auf den 16. Oktober terminiert.