Vom frechsten Arbeitslosen zum Muster-Angestellten
Sein verbaler Schlagabtausch mit dem damaligen SPD-Chef Beck auf einem Weihnachtsmarkt machte ihn zum prominentesten Arbeitslosen der Nation. Heute ist Henrico Frank solide geworden: Seit dreieinhalb Jahren hat er einen Job, ein eigenes Büro und neues Selbstvertrauen.
16.08.2010
Von Inga Radel

Für Henrico Frank ist es ein kleiner Triumph über sich selbst - und auch über Kurt Beck. Seit nunmehr dreieinhalb Jahren hat Deutschlands einst "frechster Arbeitsloser" ("Bild"-Zeitung) einen festen Job bei dem Frankfurter Musiksender iMusic TV, zwei Tage hat er erst gefehlt. Jeden Morgen steht er um 6 Uhr auf und geht - wie er betont - immer mit "Bock" an die Arbeit. "Es ist für mich im Moment die Erfüllung. Das alles hat mir ein ganz anderes Selbstwertgefühl gegeben", sagt der 41-Jährige. Er wirkt rührend, der Mann, der einst "die Nation gespalten hat", wie er selbst sagt. Kurt Beck wollte sich zu Frank auf Anfrage nicht mehr äußern.

"Ich bin nicht mehr ganz so aufbrausend"

Jenes Weihnachtsmarkt-Aufeinandertreffen mit dem damaligen SPD-Chef in Wiesbaden hatte Frank im Jahr 2006 über Nacht bundesweit bekanntgemacht. Angetrunken, mit langen Zottelhaaren, Vollbart und zig Piercings machte er damals Beck für Hartz IV und Millionen Arbeitslose verantwortlich, woraufhin dieser zurückblaffte: "Wenn Sie sich waschen und rasieren, haben Sie in drei Wochen einen Job." Erst war Beck der Buhmann, dann Frank, an dem ein "Arbeit ist scheiße"- Aufnäher entdeckt wurde und der mehrere Jobangebote Becks ablehnte.

"Ich bin nicht mehr ganz so aufbrausend. Ich hab' hier im Sender mit zu vielen Leuten zu tun, da kann ich nicht mehr die alte Rocksau raushängen lassen", sagt der gelernte Baufacharbeiter und gebürtige Thüringer, der seine Aktion aber nicht bereut. "Den Spießrutenlauf in den Medien will ich nicht noch einmal durchmachen, auf der anderen Seite hat es mich voran gebracht, es hat mich hierher gebracht."

"Henrico hat seine Chance absolut genutzt"

Sein heutiger Chef Marco Quirini las von dem Mann, der zwischen 1992 und 1996 sogar auf der Straße gelebt hatte, und gab ihm eine Chance. Das war mehr als ein PR-Coup des kleinen Senders, sonst wäre Frank heute nicht mehr dort. "Er ist sehr diszipliniert, immer pünktlich und möchte sich stets weiterentwickeln", sagt Quirini. "Henrico hat seine Chance - wohl seine letzte - absolut genutzt."

Dafür nimmt der Ex-Alkoholiker, der noch jeden Monat alte Kredit- und Mietschulden abbezahlt, täglich drei Stunden pendeln mit der S-Bahn in Kauf: Er wohnt noch immer in seiner 23-Quadratmeter-Wohnung im Wiesbadener Westend. Wie es mit der Familienplanung aussieht? Aktuell sei er Single. "Ich bin relativ schüchtern, wenn es darum geht, Frauen anzusprechen." Mutter Elfriede (64), die in Bufleben bei Gotha lebt und über die zweifelhafte Berühmtheit ihres Sohnes gar nicht begeistert war, verfolgt stolz, was er aus sich gemacht hat.

YouTube-Video: "Wasche und rasiere Dich"

Was Frank bei seiner Arbeit genau macht? "Ich bin die Koordination der Post-Production, die Schnittstelle zwischen den Cuttern und der Werbeabteilung", erklärt Frank kryptisch. Er schneidet auch selber, archiviert oder ist als Kameramann unterwegs. Quirini: "Er ist ein echter Autodidakt". Nicht zuletzt ist Frank für die Rock- und Metal-Ecke zuständig, sucht Videos aus oder sichtet Bands bei Festivals. "Henne", so sein Spitzname, begeistert sich seit jeher für harte Musik: "Iron Maiden ist mir noch zu harmlos, das ist Einschlafmusik für mich." Mit der Henrico-Frank-Band nahm er einen eigenen Song auf: "Wasche und rasiere Dich". Der Videoclip ist bei YouTube abrufbar.

Praktischerweise kann der erklärte Linke-Wähler bei der Arbeit weiter lange Haare, Piercing und Stoppelbart tragen: "Ich käm' wohl nicht glaubhaft rüber, wenn ich mit Anzug und Schlips nach Wacken fahren würde." In seinem Büro ganz am Ende des Ganges auf der Etage, die iMusic TV in einem Medienhaus gemietet hat, herrscht kreatives Chaos: Vier Computer, rechts, links, oben und unten Kabel, DVDs, CDs und Taschen. An der Bürotür mahnt ein Totenkopf-Schild: "Danger".

dpa