Koalitionäre wollen trotz guter Konjunktur sparen
Trotz der guten Konjunktur und der zu erwartenden Steuermehreinnahmen halten Politiker von Union und FDP am vereinbarten Sparkurs fest. Dies sei zwingend geboten, sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe der Zeitung "Die Welt" (Samstag). "Dies schulden wir unseren Kindern und Enkeln." FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke erklärte: "Wer glaubt, wir hätten jetzt mehr Geld, das wir ausgeben können, der irrt sich. Wir haben höchstens weniger neue Schulden." Der FDP-Finanzexperte Frank Schäffler brachte hingegen wieder Steuerentlastungen noch in dieser Wahlperiode ins Gespräch.

Das Bruttoinlandsprodukt ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im zweiten Vierteljahr im Vergleich zum Vorquartal um 2,2 Prozent gestiegen - das ist das höchste Wachstum seit der Wiedervereinigung. Alfred Boss vom Kieler Institut für Weltwirtschaft erwartet, dass die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden "im laufenden Jahr mindestens um elf Milliarden Euro über dem liegen, was die Steuerschätzer bisher erwartet hatten", wie er der "Rheinischen Post" (Samstag) sagte. Die Steuerprognose im Mai belief sich auf 510 Milliarden Euro. Für das kommende Jahr erwartet der Experte sogar 15 Milliarden mehr, wenn das Sparpaket unverändert bleibt.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sprach der schwarz- gelben Bundesregierung das Verdienst für den unerwartet starken Wirtschaftsboom ab. "Ohne die SPD hätte es diesen Aufschwung nicht gegeben", sagte er dem "Tagesspiegel am Sonntag" mit Blick auf die Konjunktur- und Arbeitsmarktprogramme der großen Koalition. Steinmeier erwartet, dass die Arbeitslosigkeit "noch in diesem Herbst unter die Drei-Millionen-Marke" fällt.

Konjunkturprogramme beenden, Steuergeschenke rückgängig machen

Der FDP-Politiker Schäffler sagte dem "Tagesspiegel" (Samstag), noch in dieser Legislaturperiode sollten die Steuerzahler eine "Konjunkturdividende" erhalten. Er schlug dazu erneut die Abschaffung des Solidaritätszuschlages vor, was eine Entlastung von insgesamt zwölf Milliarden Euro brächte.

Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, forderte die Regierung in der "Bild"-Zeitung (Samstag) unter anderem auf, die Senkung der Mehrwertsteuer auf Hotelübernachtungen sofort rückgängig zu machen und andererseits auf Kürzungen im Sozialbereich zu verzichten. Unionsfraktionsvize Michael Fuchs bekräftige in der "Welt", die Konjunkturprogramme sollten gegebenenfalls schneller als geplant beendet werden.

Mecklenburg-Vorpommerns Finanzministerin Heike Polzin (SPD) warnte den Bund davor, den Erfolg der vereinbarten Schuldenbremse durch Steuergeschenke zu gefährden. Für eine Steuerreform mit weiteren Entlastungen für Unternehmen und Gutverdiener sei kein Platz, sagt sie der dpa.

Agentur für Arbeit wird billiger

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) benötigt wegen der guten Konjunkturentwicklung in diesem Jahr nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung weniger Bundeszuschüsse als angenommen. Wie das Blatt unter Berufung auf Zahlen der Behörde und des Bundesfinanzministeriums berichtet, wird das Defizit 2010 nur noch bei sieben Milliarden Euro liegen; zu Jahresbeginn lautete die Prognose noch 12,8 Milliarden.

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der BA wird zudem seine Arbeitslosen-Prognose für das laufende Jahr von durchschnittlich 3,5 Millionen auf 3,2 bis 3,3 Millionen reduzieren, wie die Arbeitsmarktexpertin Sabine Klinger der "Berliner Zeitung" (Samstag) sagte.

Der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der Unionsfraktion, Peter Weiß (CDU), kann sich vorstellen, besonders gut Verdienende mehr in die Pflicht für die Allgemeinheit zu nehmen. So könnte etwa der Sondersteuersatz für Einkommen über 250.000 Euro jährlich von derzeit 45 Prozent um ein oder zwei Prozent angehoben werden, sagte er am Samstag "Handelsblatt Online". Denkbar sei auch eine Senkung der Einkommensgrenze auf 200.000 Euro pro Jahr oder eine Kombination beider Wege. Überlegungen der SPD, den allgemeinen Spitzensteuersatz von 42 auf 50 Prozent anzuheben, erteilte Weiß aber eine Absage.

dpa