"Tatort: Macht der Angst", 13. August, 20.15 Uhr im NDR
Im richtigen Leben hat es die Polizei in der Regel einfacher als ihre Bildschirmkollegen: Die meisten Tötungsdelikte sind Beziehungstaten und entsprechend rasch aufgeklärt. Ein Mord ohne Motiv aber ist praktisch perfekt, gerade in einer Großstadt. Entsprechend hilflos ist die Polizei, als auf einer Kieler Fußgängerbrücke ein offenbar x-beliebiger Passant von einem Heckenschützen erschossen wird. Hauptkommissar Borowski entdeckt an einem Stahlseil allerdings einen roten Faden, der offenbar die Windrichtung anzeigen sollte; der Mord war also kein Zufall. Borowski muss die Ermittlungen jedoch immer wieder unterbrechen, weil er als Zeuge beim Prozess gegen einen Kindermörder geladen ist. Der Staatsanwalt erhofft sich Hinweise auf einen Kinderporno-Ring, doch der zuständige Richter (Michael Gwisdek) trifft eine völlig unerwartete Entscheidung.
Natürlich haben die beiden Erzählebenen einen Schnittpunkt, aber Autor Joachim Scherf (Idee: Thomas Kirchner) lässt die Stränge lange neben einander her laufen, ehe man ahnt, wie sie miteinander verknüpft sind. Bis dahin muss sich Borowski auf einem Nebenschauplatz tummeln und mal eben einen Fall von Produktpiraterie lösen, in den die Firma des Mordopfers verwickelt war. Der Schuss galt in der Tat einem willkürlich gewählten Opfer, doch im Fadenkreuz des Attentäters befindet sich ein Anderer; und deshalb steht der Kindermörder kurz vor einem Freispruch.
Florian Baxmeyer, vor einigen Jahren für seinen Kurzfilm „Die rote Jacke“ mit Preisen überhäuft („Oscar“ für den besten Studentenfilm) und mittlerweile längst als TV-Regisseur etabliert („Die Jagd nach der Heiligen Lanze“), inszeniert den Kieler Krimi als klassischen Thriller, bei dem man ähnlich wie die Polizei lange im Dunkeln tappt. Buch und Regie setzen ganz auf das Element der Furcht, das auch Borowski nicht fremd ist, nachdem er dem Killer in einer dunklen Tiefgarage hilflos ausgeliefert war. Gelegentliche Schockeffekte und eine ungewöhnlich dichte Inszenierung sorgen dafür, dass „Macht der Angst“ nicht einen Augenblick langweilt. Die Geschichte dreht sich letztlich immer stärker um Kinderschändung. Selbstredend verzichtet Baxmeyer auf entsprechende Bilder, doch die Tonspur sowie die Gesichter sprechen Bände, als Borowski und seine Kollegin Frieda Jung (Maren Eggert) in einem entsprechenden Film nach Hinweisen suchen. Trotzdem wird das Thema nicht spekulativ ausgeschlachtet. Nicht nur aus diesem Grund war dieser Krimi einer der besten des „Tatort“-Jahrgangs 2007.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).