Regierung will Chipkarten statt Hartz-IV-Gutscheine
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will bis zum Jahreswechsel Bildungs-Chipkarten für alle Hartz-IV-Kinder einführen. Darüber hinaus werde die Bundesregierung den Ländern und Kommunen bei einem Treffen in der nächsten Woche vorschlagen, Bildungskarten auch für Kinder einzuführen, die nicht aus Hartz-IV-Familien kommen, sagte ein Sprecher des Ministeriums dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Donnerstag. Er bestätigte damit im Wesentlichen einen Bericht der "Rheinischen Post". Der Vorschlag stieß bei CDU und FDP größtenteils auf Zustimmung.

Die Karten sollen den Zugang zu Musikunterricht und Sportvereinen sowie zu Schwimmbad- und Museumsbesuchen ermöglichen. Ministerin von der Leyen will am Donnerstag nächster Woche den Bildungs-, Sozial- und Familienministern der Länder sowie Vertretern der Kommunen ihre Pläne vorstellen.

Hintergrund des Vorstoßes ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar dieses Jahres. Das Gericht hatte in seinem Urteil die Berechnungsgrundlage für die Hartz-IV-Regelsätze beanstandet. Bis Ende dieses Jahres muss die Bundesregierung das Verfahren ändern und die Regelleistungen für rund 6,8 Millionen Hartz-IV-Empfänger entsprechend anpassen. Bei Kindern müssen dem Gericht zufolge Ausgaben für Bildung stärker berücksichtigt werden.

200 Euro für Kinder aus Hartz-IV-Familien

Die Bundesregierung strebt nach eigenen Angaben ein Verfahren an, das "einfach ist und niemanden stigmatisiert". Als Vorbild könne dabei die Familiencard der Stadt Stuttgart dienen. Dort erhalten Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre, deren Eltern weniger als 60.000 Euro brutto im Jahr verdienen, mit der Karte ein Guthaben von 60 Euro. Familien mit mehr als drei Kindern erhalten die Familiencard unabhängig von der Höhe ihres Einkommens.

Beim Bundesarbeitsministerium sei für Kinder aus Hartz-IV-Familien eine Guthabensumme von 200 Euro jährlich im Gespräch, berichtete die "Rheinische Post". Der Chef des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, unterstützt die Idee. "Im Idealfall erhalten Erwerbslose die Chipkarte für ihre Kinder in den Job-Centern", sagte Landsberg der Zeitung.

Der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe in der Unionsfraktion, Peter Weiß (CDU), hält solche Geldkarten für sinnvoller als die zunächst diskutierten Bildungsgutscheine für Kinder aus Hartz-IV-Familien. "Gutscheine haben etwas Diskriminierendes", sagte Weiß in einem epd-Gespräch.

Paritätischer Wohlfahrtsverband eher gegen die Chipkarten

Bei Chipkarten wird in festgelegten Geschäften oder Einrichtungen Geld abgebucht wie bei einer normalen Kreditkarte. Der CDU-Politiker glaubt, dass Eltern die Chipkarte für ihre Kinder einsetzen werden und nicht verfallen lassen. Auch der bildungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Patrick Meinhardt, bezeichnete Bildungschipkarten als richtigen Weg.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband reagierte skeptisch auf das Chip-Modell. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar dieses Jahres müsse die Bundesregierung das Existenzminimum von Kindern und Jugendlichen neu definieren und auch sichern, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. Die Chipkarte sei zunächst nur eine Verpackung. Entscheidender sei jedoch, was Kinder überhaupt bräuchten.

Bischof July: "Gute Idee"

Jeder Lösungsvorschlag müsse sich daran messen lassen, ob er sowohl dem Bedarf von Kindern als auch den zum Teil sehr unterschiedlichen Voraussetzungen vor Ort gerecht werde, sagte Schneider. Der Verband will in der kommenden Woche ein Konzept zur Existenzsicherung von Kindern und Jugendlichen vorstellen.

Der württembergische evangelische Landesbischof Frank Otfried July, der auch Vorsitzender des Diakonischen Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland ist, findet die Chipkarte, die es in Stuttgart seit 2001 gibt, auch gut. Er hätte sie gern für alle Kinder, nicht nur für den Nachwuchs aus Hartz-IV-Familien. "Wir könnten uns vorstellen, dass alle Kinder eine Chipkarte bekommen. Die einen Kinder bekommen dann ihre Chipkarte von den Eltern aufgeladen, die anderen bekommen einen Zuschuss vom Staat auf ihre Karte." Die soziale Ausgrenzung dürfe nicht sichtbar werden.

epd