Gott manifestiert sich im Neuen Testament auf unglaublich großzügige, grenzenlos liebevolle Weise. Ich finde das Neue Testament so atemberaubend, weil es nur Möglichkeiten eröffnet und keinerlei Einengungen. Das ist kein abstrakter Gott. Sein Wesen kann ich heute spüren. Nicht nur beim Beten. Auch das Licht erlebe ich oft als eine Nähe Gottes, und jeden Akt von Freundlichkeit oder Brüderlichkeit unter Menschen!
Gott spüren zu können, ist ja eine kindliche Fähigkeit, die viele Menschen im Lauf der Jahre verlernt zu haben glauben. Ich meine nicht das naive "14 Englein um mich stehen", sondern dieses Grundvertrauen in ein Gehörtwerden, sich von Gott gesehen und erkannt zu wissen. Ich habe in meinem Leben Antworten auf Gebete bekommen, gerade dann, wenn ich niemanden anderen mehr fragen konnte.
Man kann das von den Psalmen lernen, von der Unmittelbarkeit und Unbedingtheit, mit der David da Gott anruft und sagt: "Heh! Ich brauche Deine Hilfe, lass mich jetzt nicht hängen!" Man muss sich nur trauen! Ich bin dadurch oft ins Reine gekommen und habe in mir Gewissheit erfahren oder Frieden mit etwas schließen können.
Wim Wenders, geboren 1945 in Düsseldorf, lebt in Berlin, verheiratet, Regisseur und Fotograf.
Der Text stammt aus dem Buch: "Ich glaube. Gedanken zu Gott und Religion" aus der "edition chrismon".