Pröpstin: Fasten ist Ausdruck eines tiefen Glaubens
Zum Auftakt des islamischen Fastenmonats bekundet die Berliner Pröpstin Friederike von Kirchbach großen Respekt vor den muslimischen Nachbarn. In einem Exklusivbeitrag für evangelisch.de würdigt sie die gegenseitigen Verständigungsbemühungen von Christen und Muslime, verschweigt aber die bestehenden Defizite nicht. Ein evangelischer Glückwunsch zum Ramadan.
11.08.2010
Von Friederike von Kirchbach

Ich freue mich, dass in den letzten Jahren das Bewusstsein für die religiösen Regeln der Menschen anderen Glaubens, die mit uns leben, gestiegen ist. Mir fällt das natürlich vor allem in der Großstadt Berlin auf, in ihren multikulturellen Stadteilen wie Kreuzberg oder Neukölln.

So erzählte mir im letzten Jahr eine Studentin, dass sie zwei türkische Nachbarn um Unterstützung bei ihrem Umzug gebeten hatte – gern und unkompliziert sagten sie zu. Erst hinterher fiel der jungen Frau auf, dass es die Zeit des Ramadan ist. Was das bedeutet, war ihr selbstverständlich klar. Ihr tat es leid, von den beiden schwere körperliche Arbeit zu verlangen, doch sie fand es auch unhöflich, sie wieder nach Hause zu schicken. Die Männer hatten wiederum richtig Mühe, ihr zu erklären, dass sie inzwischen gelernt haben, mit dem Fasten umzugehen und dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchte.

Viele Partnerschaften vor Ort

Ich habe hohen Respekt vor unseren muslimischen Nachbarn, die in diesen Tagen mit konsequentem Fasten einen Ausdruck ihres tiefen Glaubens finden. Ich grüße Sie im Namen unserer Kirche herzlich. Ich bin froh, dass in unseren Gemeinden die Wahrnehmung des Glaubens der anderen erkennbar gestiegen ist. Viele haben Partnerschaften am Ort, betreiben gemeinsame Projekte und besuchen sich bei bestimmten Anlässen.

Das gilt auch für die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. So haben am 1. Mai dieses Jahres Muslime, Juden und Christen gemeinsam zu Gewaltfreiheit aufgerufen. Und jährlich im Frühsommer findet das inzwischen überregional bekannte Fußballspiel Pfarrer gegen Imame statt.

Es bleibt noch viel zu tun

Natürlich bleibt noch viel zu tun bei diesem wichtigen Prozess des Kennenlernens und des Dialogs. Ich möchte deshalb mit einem Zitat aus der EKD-Handreichung "Klarheit und gute Nachbarschaft" schließen, zwei Sätze, die in dieser Deutlichkeit bisher unzureichend wahrgenommen wurden: "Es gilt der Grundsatz, dass es zu einem Dialogprozess, der gegenseitiges Verstehen, respektvoller Umgang miteinander und gute Nachbarschaft wachsen und gedeihen lässt, keine Alternative gibt. Alles Denken und Trachten, welches Gewalt, Feindschaft und Hass zwischen Christentum und Islam schafft, muss endlich der Vergangenheit angehören."

Ich wünsche mir eine Stadt, in der Männer und Frauen, egal welcher Religion, nachbarschaftlich miteinander leben.


Friederike von Kirchbach (55) ist seit 2005 Pröpstin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und Stellvertreterin von Bischof Markus Dröge. Zuvor war die in der Nähe von Leipzig geborene Theologin unter anderem Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages (DEKT).