Die Flut überrollt das Kloster St. Marienthal
Die Neiße-Flut hat das Kloster St. Marienthal in Sachsen verwüstet. Stundenlang stand das Wasser in den Räumen - wie hoch, ist am Gemäuer ablesbar. Der Schock bei den Nonnen sitzt tief, die materiellen Schäden kann niemand beziffern.
10.08.2010
Von Simona Block

Schlamm über Schlamm - auf Altar, Gestühl, in Betstuben und auf Chorschranken. Nach dem Hochwasser ist es im Zisterzienserinnenkloster St. Marienthal in Ostritz vorbei mit göttlicher Ruhe und Besinnung. Im Hof brummen Kompressoren für Pumpen und Trockengeräte. Bundespolizisten, Mitarbeiter und Freiwillige tragen Möbel, waschen die braune Schmiere von Flaschen und Geschirr. Vor der Touristeninformation liegt ein meterhoher Berg pitschnasser Akten, Broschüren und Bücher. Im Klosterhof stehen verschlammte Schränke, Sofas, Stühle, Betten, Tische und Pflanzen.

Das an der sächsisch-polnischen Grenze gelegene Kloster hat mit den Folgen der schwersten Überschwemmung seit seiner Gründung 1234 zu kämpfen. Eine zentimeterdicke braune Schicht bedeckt auch die Böden sämtlicher Gebäude der barocken Anlage. Der Kreuzgang gleicht mehr einem Schlammpfad, auf dem auch Nonnen mit Gummistiefeln mehr rutschen als laufen. In der Klosterkirche heben junge Polizisten den Schlamm mit Schaufeln in Eimer und schieben Schubkarren voll mit braunem Schlick durch die Gänge.

"Ein Bild des Grauens", sagt Äbtissin Schwester Maria Regina Wollmann. Sie und die anderen 15 Schwestern haben am Samstag mit ansehen müssen, wie das schmutzige und mit Unrat durchsetze Neiße- Wasser ihren geheiligten Hort füllte - Meter für Meter.

Über die Mauer und durch das Kloster

Keinen Schutz bot die vor zwei Jahren installierte Hochwasserschutzmauer. "Das Wasser ist in der Flusskurve einfach geradeaus und mit aller Kraft und Macht darüber und durch das Kloster geschossen." Weder Tore, Türen, Fenster noch die Mauer an der Kräutermanufaktur konnten standhalten. "Es hat das allerschlimmste Hochwasser von 1897 übertroffen", sagt die Äbtissin. Normale Hochwasser indes sind die Schwestern im Alter zwischen 25 und 87 Jahren gewöhnt.

An den Wänden hat die Flut ihren Höchststand braun markiert - bis etwa 1,80 Meter in Höhe der Fenstermitte. "Wir mussten alles von der Empore in der Klosterkirche mit ansehen."

Ein Bild bleibt der noch immer geschockt wirkenden Nonne im Gedächtnis: "Die sich im Wasser spiegelnden Kirchenfenster". Nackt ist die kunstvoll holzverkleidete Sakristei, die Schranktüren stehen zum Trocknen offen. Chorbücher und Bücher für den Gottesdienst sind größtenteils vernichtet, sagt die Äbtissin. Auch die neuen liturgischen Gewänder für Geistliche und Messdiener sind beschädigt, vielleicht noch in der Wäscherei zu retten.

Die historischen Textilien und wertvolle Kunstgegenstände konnten die Schwestern noch in Sicherheit bringen. "Wir haben uns der Zwangsevakuierung verweigert, weil wir die bettlägerigen Mitschwestern nicht alleinlassen wollten." Fast zwei Tage waren sie von der Außenwelt abgeschnitten, erst am Montag konnten die Nonnen das Gebäude verlassen.

Renovierung von 2009 komplett wieder zerstört

Restaurator Sven Taubert aus Dresden kann über das Ausmaß der Schäden noch nichts sagen. "Das wird erst in den nächsten Wochen klar, wenn das Holz getrocknet ist."

Der mit hohem Aufwand gerade erneuerte Stuckmarmor in der Michael-Kapelle ist zerstört. Das Kloster sei seit der Wende mit Fördermitteln und öffentlicher Unterstützung aufwendig renoviert und gerade zum 775-jährigen Bestehen 2009 fertig geworden. "Wenn man einen ähnlichen Zustand wieder erreichen will, braucht es Hilfe von außen", sagt Taubert.

Auf finanzielle Hilfe hofft auch Michael Schlitt, Chef des Internationalen Begegnungszentrums im Kloster. Der Schaden allein an dessen Gebäuden betrage mehrere Millionen. "Bis zur Normalität wird es aber noch Monate dauern."

Das schätzt auch Marion Prange, Bürgermeisterin von Ostritz. In dem 2600-Seelen-Ort steht noch immer an einigen Stellen das Wasser. Zwei Drittel der Haushalte waren betroffen. Anwohner am Fluss holen, was noch zu retten ist, aus ihren Häusern. Viele aber haben alles verloren: Hausstand, Kleidung, Fotoalben, ihr Obdach.

dpa