Nebel um Atomkraftwerk soll Anschlag verhindern
Atomanlagen in Deutschland werden besonders geschützt. Sichtbare Zeichen sind ein Zaun rund um das Gelände und Streifengänge von Wachpersonal. Doch wie wappnet sich der Betreiber gegen einen Anschlag aus der Luft?

Mit Nebelgranaten gegen Terrorpiloten: Seit den Anschlägen auf das World Trade Center im September 2001 in New York wird über die Sicherheit der deutschen Atomkraftwerke vor Terrorfliegern diskutiert. Jahrelang passierte nichts. Nun wird das Kernkraftwerk Philippsburg (Kreis Karlsruhe) mit einer Blitzvernebelungsanlage ausgestattet, die im Notfall die Piloten daran hindern soll, das Reaktorgebäude zielgenau zu treffen.

Fertigstellung bis Jahresende

Philippsburg ist nach Grohnde (Niedersachsen) und Biblis (Hessen) erst der dritte deutsche Atommeiler, der in Zukunft mit so einer Anlage geschützt wird. Das Ganze wird vom baden-württembergischen Umweltministerium und der Energie Baden-Württemberg (EnBW) als geheime Kommandosache behandelt. Das Energieunternehmen stellt auf stur, wenn es um das sensible Thema geht. Das Ministerium in Stuttgart hingegen lässt sich immerhin noch entlocken, dass die Anlage für Philippsburg genehmigt worden sei und sich im Bau befinde. Mit der Fertigstellung wird zum Jahreswechsel gerechnet. Der Versorger betreibt neben Philippsburg auch noch den Atommeiler in Neckarwestheim (Kreis Heilbronn).

Philippsburg mit seinen zwei Blöcken befindet sich praktisch in freiem Gelände und ist nach Einschätzung der Sicherheitsexperten besonders für einen Terroranschlag anfällig. Deshalb wird der Atommeiler nun mit High-Tech geschützt. Wenn ein Flugzeug seine vorgegebene Route verlässt und auf den Reaktor zusteuert, sollen Nebelgranaten gezündet werden und für eine Art undurchsichtige Wand sorgen. Das lässt sich der Versorger laut unternehmensnahen Kreisen einen zweistelligen Millionenbetrag kosten. Wie die Anlage genau funktioniert, will niemand erläutern.

"Es gibt GPS und moderne Kommunikationsmittel"

Wie groß die Gefahr überhaupt ist, dass ein Atommeiler ins Visier der Terroristen gerät, wird unterschiedlich bewertet. Während Bund und Länder nichts unversucht lassen wollen, um für den schlimmsten Fall gewappnet zu sein, meint Rolf Tophoven vom Institut für Terrorismusforschung und Sicherheitspolitik in Essen: "Ich halte es eher für unwahrscheinlich, dass Terroristen versuchen werden, ein Flugzeug gezielt auf ein Atomkraftwerk in Deutschland abstürzen zu lassen." Für ein solches Vorhaben wären größere logistische Vorbereitung und sehr professionelles Know-how nötig. "Es ist zudem einfacher, eine Verkehrsmaschine zu entführen und dann zum Absturz zu bringen wie am 11. September 2001 in New York."

Tophoven hält die Nachrüstung in Sachen Sicherheit aber für sinnvoll: "Die Einnebelung des Atomkraftwerks erschwert in jedem Fall den Anflug der Maschine." Skeptisch hingegen ist der baden-württembergische Grünen-Politiker Franz Untersteller: "Da wird mit Nebelkerzen geworfen", meint er mit ironischen Unterton und fügt hinzu: "Es gibt GPS und moderne Kommunikationsmittel. Mit deren Hilfe findet man auch den Weg durch den Nebel." Durch die Vernebelung könnte man höchstens ein Sportflugzeug abhalten, aber kein großes Verkehrsflugzeug. Als nächstes wird wahrscheinlich das Atomkraftwerk Neckarwestheim mit solch einer Anlage ausgestattet. Der Antrag auf Genehmigung ist gestellt. Wann er entschieden wird, steht noch nicht fest. Bei Philippsburg dauerte die Prozedur mehrere Jahre.

dpa